Krisenjahr 2020: Praxis-Stresstest für die globale Automobilindustrie

17 Dezember, 2020

PwC-Analyse: Pkw-Neuzulassungen weltweit brechen um 16,9 Prozent ein / Wachstum bei E-Fahrzeugen trotz Krise ungebrochen / 2021 Erholung des deutschen Pkw-Markts nur um 4,7 Prozent erwartet / PwC-Automobilexperte Felix Kuhnert: „Die Pandemie und neue Umweltziele zwingen die Industrie, die Geschwindigkeit ihrer Transformation weiter zu erhöhen.“

Frankfurt, 17. Dezember 2020

Die Coronavirus-Pandemie hat die Automobilindustrie weltweit hart getroffen. „Das Jahr 2020 war ein „schmerzhafter Stresstest für die Branche, aber unter Praxisbedingungen“, sagt Felix Kuhnert, Global Automotive Leader bei PwC Deutschland.

Globale Pkw-Märkte fallen massiv hinter Erwartungen zurück

Mit Blick auf die Zahl der Pkw-Neuzulassungen ist ein drastischer Rückgang gegenüber der 2019er-Prognose für das Jahr 2020 zu verzeichnen: Gingen Branchenexperten damals von rund 80 Millionen weltweit verkauften Pkw aus, sind stattdessen nur rund 67 Millionen Fahrzeuge neu zugelassen worden – ein Verlust von 16,5 Prozent (Stand: Oktober 2020). PwC-Automobilexperte Felix Kuhnert sagt: „Im April 2020, also während des weltweiten Lockdowns, waren die Prognosen noch dramatischer, damals deuteten die Daten auf bis zu 22,5 Prozent Verkaufsrückgang hin.“ Für Europa gingen die Analysten im Frühjahr sogar von 26 Prozent Rückgang gegenüber der ursprünglichen Prognose aus, für Deutschland immerhin noch von minus 18 Prozent.

Christoph Stürmer von PwC-Autofacts sagt: „Tatsächlich wird das Jahr 2020 in Deutschland und Europa als das schwächste Absatzjahr in diesem Jahrhundert eingehen; auf weltweiter Ebene fällt das Markvolumen auf den Stand von 2011 zurück. Für die weltweite Produktion von Light Vehicles muss man sogar bis zum Krisenjahr 2009 zurückgehen, um mit 59,4 Millionen einen niedrigeren Wert als die für 2020 erwarteten 73,6 Millionen Einheiten zu finden.“

Für 2021 sind die beiden Experten für den deutschen Markt mit einem Wachstum um nur 5 Prozent von 2,8 Millionen auf knapp unter 3,0 Millionen Pkw- Neuzulassungen eher skeptisch, da sie die wirtschaftlichen Auswirkungen als länger anhaltend sehen. Für den europäischen Markt (inkl. Großbritannien) wird insgesamt mit einer Erholung um 6,0 Prozent auf ca. 12,5 Millionen neue Pkw gerechnet. Auf dem Weltmarkt erwartet PwC insbesondere wegen der starken Nachfrage in China eine Erholung um 13,5 Prozent, was aber immer noch 3 Prozent unter dem Wert von 2019 liegt.

Profitabilität geht bis mindestens 2023 strukturell verloren

Die deutschen OEMs konnten im COVID-Jahr ihre Marktanteile verteidigen und ausbauen. Die Volkswagen-Gruppe hielt ihren weltweiten Light-Vehicles-Anteil mit 12,0 Prozent, während Daimler und BMW ihre Anteile um 4,1 bzw. 5,9 Prozent steigern konnten. Insbesondere im wichtigen chinesischen Pkw-Markt konnte die VW-Gruppe ihren führenden Marktanteil auf 20,0 Prozent leicht erhöhen, Daimler und BMW legten von 3,5 bzw. 3,6 auf 4,0 Prozent zu; in Deutschland baute VW seine Dominanz von 36,4 auf 36,9 Prozent weiter aus, während Daimler bei ca.

10,7 Prozent stabil verkaufte und BMW von 9,2 auf 9,8 Prozent wuchs. „Sämtliche europäischen OEM sind – mit Ausnahme der PSA-Gruppe – im ersten Halbjahr in die Verlustzone gerutscht, konnten aber im dritten Quartal zum Teil wieder operative Gewinne erzielen,“ analysiert PwC-Partner Felix Kuhnert.

„Die rund 13 Millionen Einheiten, die in diesem Jahr nicht gebaut werden, werden bis 2023 aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr aufgeholt.“ Die Umsatzverluste für die kommenden drei Jahre bewegten sich zwischen 680 und 880 Milliarden, rechnet Christoph Stürmer vor, legt man bis zum Jahr 2023 34 bis 44 Millionen nicht-verkaufte Einheiten (entspricht jährlich minus sechs Prozent) mit einem durchschnittlichen Verkaufspreis von etwa 20.000 Euro zugrunde. „Dieses Geld fehlt schlicht und einfach in der Wertschöpfungskette der globalen Automobilindustrie.“ Und er ergänzt: „Geht man davon aus, dass die Automobilindustrie eine Profitabilität von etwas weniger als fünf Prozent hat, bedeutet das: Ihre Profitabilität geht auf absehbare Zeit strukturell verloren.“

E-Fahrzeuge auf ursprünglichem Wachstumspfad – trotz COVID-19

Es gibt allerdings auch positive Nachrichten: Der Wachstumstrend im Segment E- Fahrzeuge bleibt trotz der Krise in Europa nahezu ungebrochen. In Europa zum Beispiel ging die ursprüngliche Prognose für 2020 von etwa 7,2 Millionen verkauften E-Fahrzeugen aus. Derzeit sind es rund 6,8 Millionen Einheiten. Der Bestand reiner E-Fahrzeuge wird sich in Deutschland im COVID-Jahr voraussichtlich auf über 300.000 Einheiten mehr als verdoppeln, die Plug-In- Hybride wachsen um über 120 Prozent auf knapp unter 300.000. „Die neuesten Modelle scheinen bei den Verbrauchern gut anzukommen. Besonders Plug-In- Hybride werden jetzt wegen der hohen steuerlichen Förderung angeschafft. Die hohe Nachfrage hat dann weitere selbstverstärkende Effekte“, sagt Felix Kuhnert, Global Automotive Leader bei PwC Deutschland mit Blick auf das überproportionale Wachstum bei den E-Fahrzeugen.

Das Pandemiejahr zwingt dazu, die Transformationsgeschwindigkeit weiter zu erhöhen

„Für die Automobilindustrie ist 2020 ein sehr schmerzhaftes, aber auch sehr lehrreiches Jahr gewesen,“ betont Felix Kuhnert. „Die Verschärfung der Klimaziele für 2030 zum Jahresende bringt zusätzliche Herausforderungen für die Industrie und den gesamten Mobilitätssektor. Die Investitionen in innovative Produkte, Technologien und Dienstleistungen müssen jetzt noch klarer priorisiert werden, um den zukünftigen Markterfolg und die zunehmende Erfüllung der ESG- Nachhaltigkeitskriterien sicherzustellen. Dabei rücken auch strategische Partnerschaften mit Technologieunternehmen immer mehr in den Vordergrund.“ Für 2021 rechnet PwC-Experte Christoph Stürmer mit einer ruppigen ersten Jahreshälfte. „Wie hart der Jahresbeginn wird, hängt nicht zuletzt von der Härte des Lockdowns am Jahresende und der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ab.“ Wenn 2021 etwa Insolvenzen zunehmen und die Arbeitslosigkeit steige, dann wirke sich das unmittelbar auf die Automobilnachfrage aus. Die Industrie habe daher im kommenden Jahr 2021 gleich zwei wichtige Aufgaben: die kurzfristigen Schäden zu reparieren und die richtigen langfristigen Konsequenzen zu ziehen.

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Sven Humann

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