„Erfolgreiche Integratoren schaffen Mehrwert durch den richtigen Umgang mit neu gewonnenen Kompetenzen und Technologien“

09 August, 2017

Mit einer Fusion oder Übernahme verbinden Manager hohe Erwartungen. Mal stellen sich die erhofften Synergien schnell ein, mal lassen die positiven Effekte auf sich warten. Von welchen Faktoren hängt es also ab, ob ein Deal langfristig erfolgreich ist? Dieser Frage geht die PwC-Studie „Success factors in post-merger integration“ nach. Im Interview berichten die Experten für M&A-Integration, Dr. Rosi Liem, PwC Deutschland, und Dr. Claude Fuhrer, PwC Schweiz, über die wichtigsten Erfolgsfaktoren bei der Post-Merger-Integration (PMI).

Frau Liem, Sie haben in Ihrer Studie die Erfolgsfaktoren bei der Post-Merger-Integration untersucht. Welche Faktoren beeinflussen, ob die Integration nach einer Fusion oder Übernahme gelingt?

Dr. Rosi Liem: Unsere Analyse zeigt, dass die vier wesentlichen Faktoren der letzten zehn Jahre weiterhin Bestand haben. Der Erfolg hängt im Wesentlichen davon ab, ob es dem Unternehmen gelingt, mit dem Deal die geplanten Kosten- und Wachstumssynergien zu erzielen. Zweitens hat die Geschwindigkeit der Integration, d.h. die schnelle Implementierung des gemeinsamen operativen Geschäftsmodells, großen Einfluss auf den Erfolg. Wer die Integration zügig vorantreibt, profitiert schneller von den positiven Effekten und kann sich rascher wieder dem Tagesgeschäft zuwenden. Erfolgreiche Integratoren zeichnen sich außerdem dadurch aus, dass sie die Themen Kultur und Change Management in den Fokus rücken und ihre Projektstruktur solide aufbauen.

Dr. Claude Fuhrer: Interessant ist für uns die Erkenntnis, wie stark sich diese vier Faktoren wechselseitig bedingen. Unternehmen, die in einer Kategorie gut abschneiden, sind häufig auch in den anderen drei Bereichen erfolgreicher. Wer die vier erwähnten Erfolgsfaktoren im Laufe des PMI-Prozesses beherzigt, hat also gute Chancen, die mit der Übernahme verknüpften Ziele zu erreichen – sei es die Eroberung neuer Kundensegmente, der Aufbau von Know-how oder die Einsparung von Kosten.

 

 

Welche konkreten Handlungsempfehlungen ergeben sich aus diesen Erkenntnissen?

Liem: Von den erfolgreichen Integratoren können wir viel lernen: Ein Punkt ist, dass sie stärker auf langfristige strategische und Wachstumsziele achten, und dass sie den Kernfunktionen, in denen neue Fähigkeiten und Technologien erworben wurden, eine höhere Priorität geben. Das heißt Unternehmen sollten nicht nur Supportfunktionen wie Finance und Controlling, HR oder den Einkauf integrieren, sondern sich auch trauen, Kernfunktionen wie Forschung und Entwicklung oder die Produktion anzugehen. Denn dort entsteht in der Regel der größte Mehrwert.

Fuhrer: Zur Geschwindigkeit der Integration lässt sich aus unserer Analyse eine konkrete Empfehlung ableiten: Erfolgreiche Integratoren schließen den Großteil der Integration üblicherweise innerhalb eines Jahres nach dem Closing ab. Die Schwierigkeit besteht allerdings darin, die richtige Balance zwischen der Geschwindigkeit und der Qualität zu finden. Denn geht die Integration zu schnell vonstatten, steigt das Risiko, wichtige Aspekte zu übersehen und dadurch undurchdachte Entscheidungen zu treffen.

Wieso ist der Umgang mit den weichen Faktoren Kultur- und Veränderungsmanagement so wichtig?

Liem: Kultur- und Veränderungsmanagement gehören zu den unvorhersehbaren Aspekten einer Integration. Im Gegensatz zu finanziellen und operativen Faktoren sind kulturelle Unterschiede deutlich schwerer einzuschätzen und zu überbrücken. Genau deswegen empfehlen wir Unternehmen, den richtigen Umgang mit diesen weichen Faktoren bei der Integration aktiv einzuplanen und systematisch zu überwachen. Wichtig ist bei der Integration von kleinen innovativen Unternehmen sehr häufig, die gewonnene Innovationskraft und Dynamik nicht nur zu erhalten sondern sich genau zu überlegen, wie neue Fähigkeiten und Verhaltensweisen an bestehende Teams weitergegeben werden. Bei grenzüberschreitenden Transaktionen, insbesondere Fusionen, spielt darüber hinaus insbesondere der Aufbau interkultureller Kompetenzen eine wesentliche Rolle.

Unternehmen, die Kultur und Veränderung in den Mittelpunkt ihrer Integration rücken, sind bei der Erreichung ihrer Integrationsziele deutlich erfolgreicher.

 

 

Wie sieht ein guter Umgang mit dem Thema kulturelle Veränderung in der Praxis aus?

Fuhrer: Akquirierende Unternehmen sollten sich vor allem darauf konzentrieren, dass ihnen wichtige Mitarbeiter aus dem bestehenden und dem neuen Unternehmen treu bleiben. Dabei spielen nicht nur das Topmanagement und die Führungskräfte eine zentrale Rolle, sondern Leistungs- und Wissensträger auf allen Ebenen. Ein Kulturwandel beim übernommenen Unternehmen kann nur mit Fingerspitzengefühl erreicht werden. Zentrale Mitarbeiter bleiben nur an Bord und sind bereit, Zeit und Energie in die Integration ihres eigenen Unternehmens zu stecken, wenn sie verstehen, wofür sie dies tun und wie die eigene Karriereentwicklung im neuen Unternehmen für sie aussehen kann. Nur so lässt sich ein reibungsloser Übergang in neue Organisationsstrukturen, operative Prozesse und Funktionen ermöglichen.

Einfacher zu planen und umzusetzen als Kultur- und Veränderungsmanagement ist die Projektsteuerung. Worauf sollten Unternehmen beim Aufbau ihrer Projektstruktur achten?

Liem: Eine starke Projektstruktur zeichnet sich durch folgende Kriterien aus:

Sie schafft zum einen die richtige Balance zwischen Entscheidungen, die in Steuerungsgremien getroffen werden, und der täglichen eigenverantwortlichen Arbeit der Projektteams. Grundlage hierfür sind durchdachte einfache Regeln, transparente Prioritäten und der richtige Fokus von Ressourcen und Budgets auf die wichtigsten Integrationsziele, um den Integrationsprozess zu beschleunigen.

Zum anderen hilft sie, Eskalationen, kulturell bedingte Konflikte und andere Projektrisiken zeitnah aus dem Weg zu räumen. Eine gut durchdachte Projektsteuerung lässt sich sehr gut im Vorfeld planen und zahlt sich immer aus.

Aus der Praxis: Tipps von Rosi Liem und Claude Fuhrer, Experten für M&A-Integration

Darauf kommt es bei der Integration an:

  • Synergien: Setzen Sie den Fokus nicht nur auf Kostensynergien, sondern analysieren Sie frühzeitig, wie Sie strategisch nachhaltigen Mehrwert durch neu gewonnene Kompetenzen schaffen können – insbesondere die Zusammenlegung von Kernfunktionen sollte hier häufiger in den Vordergrund rücken.

  • Geschwindigkeit: Planen Sie Ihre Integration frühzeitig. Legen Sie Ihre Integrationsstrategie fest und stellen Sie Ihr Team zusammen – im Idealfall bei Signing.
  • Veränderungsmanagement: Gehen Sie sensibel mit kulturellen Unterschieden um. Sie benötigen nicht unbedingt einen formalen Prozess, sollten der Auseinandersetzung mit kulturellen Unterschieden und den Umgang mit ihnen aber hohe Aufmerksamkeit und genügend Zeit schenken. Auch die Definition von Spielregeln kann im interkulturellen Kontext von großer Hilfe sein.

  • Projektsteuerung: Involvieren Sie Mitarbeiter des Käufers und des Zielunternehmens gleichermaßen. Damit die Projektstruktur stabil und effektiv ist, müssen die richtigen Entscheidungsgremien, Rollen und Verantwortlichkeiten mit Sorgfalt festlegt werden.

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