31 März, 2022
Weltweit erreichte die Zahl der Börsengänge im vergangenen Jahr einen neuen Bestwert. Dieser Trend umfasste auch die Börsenplätze auf dem Festland, während sich Hongkong der Trend rückläufiger Börsengänge fortsetzt. Chinas Börsenlandschaft ist durch die historisch gewachsene Zweiteilung zwischen dem Festland und Hongkong weiterhin eher heterogen. Dabei haben vor allem die Börsen in Shenzhen und Shanghai die frühere Vorrangstellung des Finanzplatzes Hongkong sukzessive abgelöst. Die erst in diesem Jahr eröffnete dritte Festlandbörse in Beijing spielt noch eine untergeordnete Rolle.
Der Börsenstandort Shanghai ist seit 1990 wieder als offizieller Handelsstandort tätig. Seitdem ist es gelungen, diesen Handelsplatz als weltweit drittwichtigste Börse – hinter der New York Stock Exchange und der Nasdaq – zu etablieren. Da die Handelstätigkeiten für ausländische Investoren nach wie vor eingeschränkt sind, stützt sich der Börsenboom überwiegend auf lokale Investoren. Die klassischen Wertpapiere sind Aktien, Anleihen und Fonds. Bei den Aktien wird üblicherweise zwischen A- und B-Aktien unterschieden: A-Aktien werden in Renminbi von chinesischen Unternehmen emittiert und gehandelt. B-Aktien notieren in ausländischer Währung (US-Dollar und Hongkong Dollar) und werden von chinesischen Unternehmen emittiert. Aktien von Festlandunternehmen an der Hongkonger Börse werden darüber hinaus in der Regel als H-Aktien bezeichnet. Die Börsen in Shanghai und Shenzhen sind jeweils in zwei Handelsplattformen unterteilt: die Hauptbörse (das Main Board) und das Sci-Tech Innovation Board (STAR) in Shanghai beziehungsweise die Start-up-Börse ChiNext in Shenzhen. Beide wurden mit Blick vor allem auf Technologieunternehmen und als Gegengewicht zur Nasdaq 2009 (Shanghai) beziehungsweise 2019 (Shenzhen) gegründet.
Nach einer Marktstudie von PwC stieg die Zahl der erstmaligen Börsengänge (IPOs) 2021 an den Festlandbörsen auf insgesamt 493, ein Plus von 25 Prozent gegenüber 2020. Dabei investierten Anleger insgesamt 548 Milliarden Yuan (rund 72 Milliarden Euro). Das entspricht einem Plus von 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Die Börse in Shanghai konnte 2021 ihre Bedeutung als weltweit wichtiger Handelsplatz erneut bestätigen: mit insgesamt 249 Börsengängen und einem Emissionsvolumen von 375 Milliarden Yuan (rund 49 Milliarden Euro). Das höchste Emissionsvolumen auf dem Festland verzeichnete das STAR Board, wobei die dortigen Emissionserlöse in absoluten Zahlen gegenüber 2020 leicht rückläufig waren. Das Börsensegment ChiNext in Shenzhen verzeichnet mit insgesamt 199 IPOs die meisten Erstnotierungen auf dem Festland.
Das Main Board der Shanghaier Börse wird bevorzugt von Unternehmen der Konsumgüterindustrie und für Industrieprodukte gewählt. Dagegen bevorzugen IT- und Telekommunikationsunternehmen das Shanghai STAR Board.
Außer auf die Präsentation des Unternehmens und seines Geschäftsmodells konzentrieren sich zukünftige Investoren im Zuge von Börsengängen vermehrt auch auf Themen wie CO2-Neutralität und langfristige Nachhaltigkeitsstrategien.
Das Jahr 2021 an der Hongkonger Börse war stark von Pandemieeinflüssen sowie geopolitischen und wirtschaftlichen Unwägbarkeiten geprägt, die vor allem im Wechselspiel zwischen der Sonderwirtschaftszone und den Interessen Festlandchinas begründet sind.
Insoweit wich Hongkong 2021 als einziger Börsenstand wesentlich vom weltweiten IPO-Boom ab: Die Zahl der Erstemissionen sank von 154 im Jahr 2020 auf 99 im vergangenen Jahr. Damit setzte sich die Entwicklung rückläufiger IPOs in Hongkong weiter fort. Entsprechend verringerte sich auch das Emissionsvolumen, und zwar um 17 Prozent auf insgesamt 332 Milliarden Hongkong-Dollar (rund 38 Milliarden Euro). Die meisten Börsengänge verzeichneten dabei Unternehmen der Handels- und Konsumgüterindustrie.
Trotz der weiterhin hohen regulatorischen Anforderungen und der damit einhergehenden kurzfristigen Änderungen sowie der aktuellen Unsicherheiten des Immobiliensektors in China sind für das Jahr 2022 weitere Rekorde bei der Zahl der Börsengänge zu erwarten. Nach dem PwC IPO Watch ist für China ein weiterer signifikanter Anstieg der IPOs zu erwarten.
Ein entscheidender Treiber für weitere IPOs und die Wahl der Börse im internationalen Kontext sind die regulatorischen Entwicklungen der Börsenaufsichten in den USA und China, zahlreicher weiterer Verschärfungen beispielsweise von Datenschutzgesetzen sowie die geopolitische Entwicklung des Verhältnisses der beiden Länder. Institutionelle ausländische Investoren auf dem Festland preisen staatliche Eingriffe mitunter schon ein.
Sebastian Huth
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Was sich kaum ändern wird: Private ausländische Anleger unterliegen noch immer hohen Zugangsbeschränkungen. Insoweit bleibt abzuwarten, ob die chinesischen Festlandbörsen für ausländische Investoren künftig wesentlich wichtiger werden.