Aus unserer Praxis: Flickenteppich im New Normal – Steuerliche Herausforderungen beim Thema Workation

31 August, 2022

Von Gerrit Halbach und Lukas Bühl. Der Arbeitsmarkt wandelt sich und stellt Wirtschaft und Politik vor ungeahnte Herausforderungen. In vielen Bereichen herrscht ein Arbeitnehmermarkt, in dem die Wirtschaft um Fachkräfte und Nachwuchs ringen muss. Hinzu kommt der demographische Wandel in vielen europäischen Ländern. Produktivität und Wachstum können zukünftig nur zu einem gewissen Teil durch mehr Automatisierung sichergestellt werden. Langfristige Strategien zielen unter anderem auf die Anziehung von Fachkräften aus dem (außereuropäischen) Ausland ab. 

Deutschland ist jedoch nicht bekannt für paradiesische Strände oder ein Leben à la dolce vita. Aus diesen Gründen wird der Arbeitgeberattraktivität eine (zunehmend) hohe Bedeutung zukommen. COVID-19 hat gezeigt, dass Produktivität durch vertrauensvolle Flexibilität aufrechterhalten und sogar gesteigert werden kann. Doch die rechtlichen Rahmenbedingen sind dieser neuen Realität noch nicht gewachsen.

Workation 

Als schnelle Lösung zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität sprießen bei deutschen Unternehmen derzeit sog. Workation-Programme aus dem Boden, d. h. die Möglichkeit bspw. zur Verlängerung des Urlaubs für eine kurze Zeit, um währenddessen vom Ausland aus zu arbeiten. Doch die entsprechenden Richtlinien müssen dabei multidimensional aufgestellt werden, d. h. Ertragsteuern, Umsatzsteuer, Sozialversicherung, Lohnsteuer, Arbeits- und Immigrationsrecht müssen unter einen Hut gebracht werden. Selbst innerhalb der EU warten hier viele zu beachtende Fallstricke. Während bei der Sozialversicherung A1 Anträge zu beachten sind oder im Arbeitsrecht bspw. für Belgien besondere sogenannte LIMOSA-Anträge gestellt werden müssen, wird nachfolgend ein Einblick in das steuerrechtliche Auseinanderdriften in Europa bei Betriebsstättenthemen gegeben. 

Unterschiedliche Modernisierungsstufen bei Betriebsstätten-
interpretation 

So stellt sich hinsichtlich der Betriebsstättenthematik u. a. die Frage, ob ein Homeoffice lokal überhaupt als solches angesehen wird. Hier droht die Gefahr eines Flickenteppichs. Mangels Verfügungsmacht sieht Deutschland bekanntlich im Homeoffice i. d. R keine Betriebsstätte i. S. d. § 12 Abgabenordnung (AO) bzw. Art. 5 (1) OECD-Musterabkommen. Dies gilt insbesondere, sofern dem Mitarbeitenden auch ein regulärer, ausgestatteter Arbeitsplatz im Inland zur Verfügung steht. Im Ausland sieht dies zuweilen anders aus, wie die folgenden Beispiele verdeutlichen. Großbritannien folgt einem wirtschaftlichen Ansatz und stellt darauf ab, ob dem Mitarbeitenden eine Vergütung für das Homeoffice bereitgestellt und das Homeoffice regelmäßig genutzt wird. Eine strenge Regelung verfolgt auch Österreich, wo von einer ausreichend fiktiven Verfügungsmacht ausgegangen wird, sobald mehr als 25 Prozent der Arbeit aus dem Homeoffice verrichtet wird. 

Beide Regelungen stehen nicht im Einklang mit der OECD, da das OECD-Musterabkommen 2017 auf die Frage abstellt, ob der Mitarbeitende zur Arbeit aus dem Homeoffice instruiert (instructed) wurde. Als Anhaltspunkt bezieht sich die OECD darauf, ob ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt wurde, wenn für die Arbeit sonst ein Arbeitsplatz benötigt wird. Schweden stellt gemäß einer offiziellen Verlautbarung vom 13. Mai 2022 im Kern nun genau auf diesen Instruierungs-Tatbestand ab. Demnach soll dann keine Betriebsstätte vorliegen, wenn das Arbeiten aus dem Homeoffice dem Wunsch des Mitarbeitenden entspricht und durch das Homeoffice keine wirtschaftlichen Vorteile auf dem schwedischen Markt generiert werden. Nach Informationen unserer PwC Netzwerkgesellschaften im Süden Europas dürften die dortigen Finanzverwaltungen in einem Homeoffice nicht per se einen betriebsstättenvermeidenden Umstand sehen. Wünschenswert wäre eine bessere Harmonisierung zwischen den Staaten. 

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Kumulierung 

Im New Normal entpuppt sich nun ein (unerwartetes) Thema als besonders kontrovers: Kumulierung. Dabei geht es um die Frage, ob, wann und wie Mitarbeitende im Ausland für Zwecke der Betriebsstättenanalyse kumuliert zu betrachten sind. Vereinfacht gesagt: Gehen zehn Mitarbeitende eines Teams für fünf Tage an den gleichen Ferienort auf sog. Workation, liegt dann eine feste Geschäftseinrichtung vor und hat man für die Zwecke der Analyse mit fünf oder gleich 50 Tagen zu rechnen? Was ist, wenn die Mitarbeitenden in unterschiedlichen Städten, aber am gleichen Projekt arbeiten? Diese Themen dürften schnell kritisch werden, wenn man sich ein mittelständisches Unternehmen mit vielen Hunderten oder Tausenden urlaubswilligen Mitarbeitenden und der deutschen Vorliebe für gewisse Reisedestinationen vor Augen führt. Diese Fragen sind ungeklärt und auch hier wäre Klarheit seitens der EU oder der OECD dringend von Nöten. 

Fazit und Ausblick

Die Arbeitswelt wird flexibler. Mitarbeitende und Arbeitgeber werden ortsunabhängiger. Personalabteilungen forcieren den Trend im Kampf um Talente und Steuerabteilungen müssen die Risiken in einem heterogenen, länderspezifischen regulatorischen Umfeld beherrschen. 

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