31 August, 2022
Von Carlo Schmidt. Im März 2022 ging das Pilotprojekt des European Trust and Cooperation Approach (ETACA) in die Implementierungsphase über. Das Kernziel ist präventiv die Einhaltung von Steuervorschriften zu fördern.
Konkret geht es um die Vermeidung von Doppelbesteuerung und die Verringerung steuerlicher Compliance-Kosten. Dies alles soll durch eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten untereinander und mit den Steuerpflichtigen erreicht werden können.
Im Mittelpunkt des ETACA steht die Risikoanalyse und -bewertung der Steuerpflichtigen. Im ersten Schritt wird hierfür anhand übermittelter Unternehmensdaten eine Funktionsanalyse durchgeführt. Die betroffenen Steuerverwaltungen erhoffen sich damit, eine gemeinsame Wissensbasis über das Funktionsprofil und die Transaktionen der Steuerpflichtigen aufzubauen. Anschließend wird überprüft, ob sich die auf die ausgewählten Transaktionen angewandte Verrechnungspreismethode mit dem beschriebenen Funktionsprofil deckt.
Die Teilnahme am ETACA ist freiwillig und wird bei Interesse der Steuerpflichtigen von den Mitgliedsstaaten entschieden. Teilnahmeberechtigt sind alle multinationalen Unternehmensgruppen mit einem konsolidierten Umsatz von mindestens 750 Mio. EUR und einem Konzernsitz innerhalb der EU. Das Programm ist weder als Betriebsprüfung noch als Advance Pricing Agreement (APA) zu verstehen, sondern eher als eine Art Risikoscreening anzusehen. Output des Prozesses soll ein Schreiben der beteiligten Finanzverwaltungen sein, in dem der multinationalen Unternehmensgruppe bestätigt wird, welche Transaktionen als steuerlich risikoarm zu klassifizieren sind. Diese Transaktionen sollen in späteren Betriebsprüfungen nicht weiter geprüft werden. Daher sieht die EU-Kommission das Instrument zunächst auf reine Routinetransaktionen (Auftragshersteller, Dienstleistungen mit geringer Wertschöpfung, Routinevertrieb) beschränkt. Vorteil ist, dass die Risikobewertung in einem klar definierten Prozess und einem Zeitraum von maximal 32 Wochen abgewickelt werden soll. Dementsprechend kann der ETACA für Routinetransaktionen als eine schnelle Alternative zu einem oft langwierigen APA verstanden werden.
Der ETACA kann als Win-win-Situation gesehen werden. Einerseits können für die Mitgliedstaaten durch das gemeinsame Verständnis der Risikobewertung zwischenstaatliche Streitigkeiten reduziert bzw. vermieden werden. Andererseits eröffnet der ETACA den Steuerpflichtigen eine steuerliche Mindestsicherung hinsichtlich ihrer Routinetransaktionen. Denn durch eine bereits vorgenommene Risikobewertung im Zuge des ETACA könnten diese risikoarmen Transaktionen bei einer Betriebsprüfung vernachlässigt und damit bürokratische Kosten reduzieren werden. Insbesondere ermöglicht die Risikobewertung den Unternehmen auch, die Sicht und Auslegungslogik der Steuerverwaltungen hinsichtlich bestimmter Sachverhalte genauer kennenzulernen. Dies würde eine verbesserte Einschätzung der steuerlichen Risiken in den betroffenen Mitgliedstaaten erlauben.
Eine auf Transparenz ausgelegte Förderung von Vertrauen und Zusammenarbeit scheint sowohl für Steuerverwaltungen als auch für Steuerpflichtige von Interesse zu sein. Besonders im Kontext des EU-weiten Zusammenspiels unterschiedlicher Richtlinien und Verordnungen stellt der ETACA eine Möglichkeit dar, grenzüberschreitende Streitigkeiten zu vermeiden.
Das Ergebnis dieses Pilotprojektes gilt es noch abzuwarten. Nach Beendigung der Testphase werden die Ergebnisse von der EU-Kommission ausgewertet. Anschließend werden die Projektleitlinien aktualisiert und es muss entschieden werden, ob der ETACA als permanentes Programm etabliert werden soll.
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