Region DACH – Österreich: Informationsschreiben zu Verständigungs- und Schiedsverfahren

31 August, 2022

Von Sandra Staudacher und Karol Dziwiński.
Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) haben das Ziel, Doppelbesteuerung zu vermeiden. In manchen Fällen wird dieses Ziel jedoch aufgrund von Besteuerungskonflikten zwischen den Vertragsstaaten nicht erreicht. Um diese zwischenstaatlichen Besteuerungskonflikte zu lösen, beinhalten DBA, das Multilaterale Instrument (MLI), das EU-Schiedsübereinkommen und das EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetz (EU-BStbG) Bestimmungen in Form von internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren. 

Am 5. Mai 2022 hat das österreichische Bundesministerium für Finanzen (BMF) ein neues Informationsschreiben zu Verständigungs- und Schiedsverfahren, veröffentlicht. Das Informationsschreiben ersetzt das Informationsschreiben des BMF aus dem Jahr 2019. 

Das Informationsschreiben soll einen Überblick über die formellen und materiellen Rahmenbedingungen dieser Verfahren in Österreich geben und als Leitfaden zum Ablauf, zur Beantragung sowie zur Funktionsweise dieser Verfahren dienen. 

Aufbau 

Das Informationsschreiben gliedert sich in vier Abschnitte:

  • Kapitel A: Allgemeines zum internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren
  • Kapitel B: Verständigungsverfahren
  • Kapitel C: Schiedsverfahren
  • Kapitel D: Advance Pricing Arrangements (APA)

Zusätzlich enthält es als weitere Hilfestellung Anlagen, aus denen beispielsweise die in DBA bilateral vereinbarten Schiedsklauseln zu entnehmen sind.

Wesentlichste Änderungen – MLI und EU-BStbG

Die wesentlichsten Änderungen sind einerseits durch die Umsetzung des MLI, andererseits durch das EU-BStbG bedingt. 

Das MLI dient der Umsetzung des Base Erosion and Profit Shifting (BEPS-) Aktionsplans der OECD in die DBA der teilnehmenden Staaten. Der BEPS-Aktionsplan beinhaltete u. a. auch Vorschläge zur Verbesserung der Streitbeilegung, welche in das MLI aufgenommen wurden. Das MLI wurde von Österreich ratifiziert und ist seit 2019 für die ersten österreichischen Abkommen wirksam. Derzeit modifiziert es 38 der von Österreich abgeschlossenen DBA. Das BMF stellt im Informationsschreiben dar, wie sich die Maßnahmen des Teils V (Verbesserung der Streitbeilegung) und des Teils VI (Einführung der Schiedsklausel) des MLI auf die österreichischen DBA auswirken und wie sie in der Praxis anzuwenden sind. 

Das EU-BStbG stellt die Umsetzung der EU-Streitbeilegungsrichtlinie in Österreich dar. Es eröffnet eine Alternative zu den Verfahren nach einem DBA, dem MLI oder nach dem EU-Schiedsübereinkommen, um Besteuerungskonflikte zu lösen. Das EU-BStbG legt Verfahrensregeln für die Führung von Verständigungsverfahren innerhalb der EU fest, welche in den Anwendungsbereich eines DBA oder des EU-Schiedsübereinkommens fallen. In zeitlicher Hinsicht umfasst das EU-BStbG Veranlagungszeiträume beginnend am oder nach dem 1. Januar 2018. 

Verständigungs- und Schiedsverfahren

Die im Informationsschreiben dargestellten Instrumente zur Streitbelegung sehen ein zweistufiges Verfahren vor: Ein Verständigungsverfahren und gegebenenfalls ein anschließendes Schiedsverfahren.

Das Informationsschreiben enthält Ausführungen, die vom Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens (u. a. Antragsinhalt je Instrument) bis zur Umsetzung des Ergebnisses eines Verständigungs- bzw. Schiedsverfahrens reichen. Auch wird das Verhältnis zu innerstaatlichen Rechtsmitteln bzw. der Instrumente zueinander dargestellt.

Im Vergleich zu den anderen Instrumenten beinhaltet das EU-BStbG umfassende verfahrensrechtliche Regelungen. Auch bietet das EU-BStbG der beschwerdeführenden Partei verfahrensrechtliche Handlungsmöglichkeiten gegen die zuständigen Behörden, wie beispielsweise bei der Nichteinhaltung von Fristen. Weite Teile des Informationsschreibens befassen sich daher mit dem Verfahren nach dem EU-BStbG.

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Advance Pricing Arrangements und roll-back

Neben Ausführungen zu den Verständigungs- und Schiedsverfahren enthält das Informationsschreiben auch Ausführungen zu APAs. APAs werden durchgeführt, um Meinungsverschiedenheiten zwischen den Steuerverwaltungen verschiedener Staaten und den dort jeweils ansässigen, verbundenen Unternehmen im Vorhinein zu vermeiden. 

Das Informationsschreiben sieht vor formeller Initiierung eines APA ein informelles Gespräch (Prefiling Meeting) vor. Das Vorgespräch soll dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit bieten, die Bereitschaft zur Durchführung eines APA, die Geeignetheit eines APA im konkreten Fall, die Art und den Umfang der zur Verfügung zu stellenden Unterlagen sowie einen groben Zeitplan mit der zuständigen Behörde zu diskutieren. 

Zusätzlich zu einem APA besteht auch die Möglichkeit eines sog. roll-back, also einer Übernahme der im APA erzielten Lösung für Zeiträume vor Gültigkeit des APA im Wege eines Verständigungsverfahrens.

Fazit und Ausblick

Vor dem Hintergrund von Globalisierung, von Matrixstrukturen, neuen Arbeitsmodellen, dem zunehmenden Kampf um Steuersubstrat und den sich ergebenden rechtlichen Unsicherheiten bei der Anwendung und Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes, sehen sich Steuerpflichtige vermehrt einer drohenden Doppelbesteuerung gegenüber. Dies spiegelt sich auch in einer steigenden Anzahl an Verständigungsverfahren wider. Daher ist davon auszugehen, dass das neue Informationsschreiben zu Verständigungs- und Schiedsverfahren von hoher praktischer Relevanz sein wird. 

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