30 November, 2022
Von Dr. Jan Haselmann und Benn Berger. Es ist davon auszugehen, dass auch der Bundesrat dem vom Bundestag bereits beschlossenen Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts zeitnah zustimmen wird. Darin sind unter anderem Änderungen der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung zur Beschleunigung der steuerlichen Außenprüfung vorgesehen. Der Gesetzgeber verfolgt das Ziel, dass Außenprüfungen künftig früher begonnen und abgeschlossen werden. Um dies zu erreichen, wird die maximale Laufzeit von Außenprüfungen grundsätzlich auf fünf Jahre begrenzt.
Dem stehen Regelungen zur Verschärfung der Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen im Bereich der Verrechnungspreise und neue Sanktionen für Verstöße gegen Mitwirkungspflichten gegenüber.
Bemerkenswert ist der zeitliche Anwendungsbereich: Die vorgesehenen (und nachfolgend diskutierten) Änderungen sollen zwar bereits zum 1.1.2023 in Kraft treten, aber erstmals in Betriebsprüfungen für den Veranlagungszeitraum 2025 oder in Betriebsprüfungen, in denen die Prüfungsanordnung nach dem 31.12.2024 bekannt gegeben wurde, Anwendung finden (vgl. § 37 EGAO). Den Steuerpflichtigen bleibt damit genügend Zeit, sich auf die Neuregelungen einzustellen.
Die zeitliche Beschränkung von Betriebsprüfungen auf eine maximale Dauer von fünf Jahren wird über eine Neuregelung zur Festsetzungsverjährung erreicht. Nach derzeitiger Rechtslage gilt, dass mit Beginn der Außenprüfung der Eintritt der Festsetzungsverjährung gehemmt ist (§ 171 Abs. 4 AO). Nach der Neuregelung soll die Festsetzungsverjährung nunmehr grundsätzlich spätestens fünf Jahre nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung eintreten. Dadurch sind Steuerpflichtige vor überlangen Außenprüfungen grundsätzlich geschützt, auch wenn der Zeitraum von fünf Jahren immer noch sehr großzügig bemessen ist.
Die praktische Bedeutung dieser Neuregelung darf jedoch nicht überschätzt werden. Zum einen dauern bereits jetzt nur wenige Betriebsprüfungen mehr als fünf Jahre. Zum anderen sieht der Gesetzesentwurf mehrere Ausnahmen vor. Die Fünf-Jahres-Frist verlängert sich zum Beispiel, wenn die Prüfung auf Antrag des Steuerpflichtigen unterbrochen oder verschoben wird, vor Ablauf der Fünf-Jahres-Frist zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch genommen wird (insbesondere Einleitung eines Joint Audit) oder wenn der Steuerpflichtige durch Verletzung seiner Mitwirkungspflichten eine Verzögerung der Betriebsprüfung verursacht.
Die grundsätzliche Beschränkung der Dauer einer Betriebsprüfung auf fünf Jahre geht mit einer deutlichen Erweiterung und Verschärfung der Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen einher.
Die Verrechnungspreisdokumentation im Sinne des § 90 Abs. 3 AO soll nicht mehr nur auf explizite Anforderung des Betriebsprüfers, sondern stets innerhalb einer Frist von 30 Tagen ab Beginn einer Außenprüfung vorzulegen sein. Praktisch wird dies in vielen Fällen bedeuten, dass Steuerpflichtige Verrechnungspreisdokumentationen vorhalten müssen. Denn oftmals wird die 30-Tage-Frist kaum ausreichen, die obligatorische Dokumentation zu erstellen beziehungsweise jedenfalls nicht, um sie in der gebotenen Qualität zu erstellen.
Mit dem neuen § 200a AO werden die Tatbestände des „qualifizierten Mitwirkungsverlangens“, der „Mitwirkungsverzögerung“ und des „Mitwirkungsverzögerungsgeldes“ eingeführt.
Die Betriebsprüfung kann den Steuerpflichtigen mit einem schriftlich zu erteilenden und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehenden Verwaltungsakt zur Mitwirkung (zum Beispiel Vorlage bestimmter Unterlagen) auffordern (sogenanntes qualifiziertes Mitwirkungsverlangen). Das ist auch bisher zwar möglich, aber nicht explizit geregelt. Neu ist, dass ein Verstoß gegen ein qualifiziertes Mitwirkungsverlangen mit dem Mitwirkungsverzögerungsgeld geahndet wird. Es beträgt grundsätzlich 100 Euro für maximal 100 Tage. Bei wiederholter Mitwirkungsverzögerung oder großer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen kann aber ein Zuschlag von bis zu 10.000 Euro für maximal 100 Tage festgesetzt werden.
Durch die Einführung des qualifizierten Mitwirkungsverlangens und des Verzögerungsgeldes wird der Druck, Anforderungen der Betriebsprüfung nachzukommen, erhöht. Andererseits bietet das qualifizierte Mitwirkungsverlangen als anfechtbarer Verwaltungsakt den Steuerpflichtigen eine Möglichkeit, schon während der Außenprüfung Rechtsschutz vor den Finanzgerichten zu suchen und grundsätzliche Fragen des Umfangs der Mitwirkungspflichten – der häufig von materiellen Fragen der korrekten Ermittlung der Verrechnungspreise abhängt – frühzeitig klären zu lassen.
Die Pflicht zur Berichtigung von Steuererklärungen nach § 153 AO wird erweitert. Nach dem Entwurf eines neuen Absatzes 4 müssen bereits abgegebene Steuererklärungen berichtigt werden, die nicht Gegenstand einer Außenprüfung waren, wenn die den unanfechtbaren Prüfungsfeststellungen einer Außenprüfung zugrundeliegenden Sachverhalte auch in diesen Steuererklärungen zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage führen.
Der Steuerpflichtige hat also eigenständig die Ergebnisse der Betriebsprüfung und ihre Auswirkungen auf folgende Veranlagungszeiträume zu untersuchen und gegebenenfalls in Korrekturerklärungen umzusetzen. Dies betrifft insbesondere die Prüfungsfeststellungen zu Verrechnungspreisen, da sich diese häufig auf Dauersachverhalte also auch nach dem Prüfungszeitraum fortgesetzte Lieferungen oder Leistungen beziehen.
Die vom Bundestag beschlossenen Änderungen der Abgabenordnung erhöhen im Interesse der Verfahrensbeschleunigung die Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen insbesondere im Bereich der Verrechnungspreise. Um Mitwirkungspflichtverletzungen und Sanktionen zu vermeiden, wird die sorgfältige Vorbereitung auf die Betriebsprüfung in Zukunft noch wichtiger.