Region DACH – Deutschland: Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise – Erfahrungen aus der Praxis

30 November, 2022

Von Dr. Isabel Ruhmer und Dr. Christoph Sommer. Mit den am 14. Juli 2021 veröffentlichten Verwaltungsgrundsätzen Verrechnungspreise (VWG 2021) wird von der Finanzverwaltung das Ziel verfolgt, eine einheitliche internationale Umsetzung des Fremdvergleichsgrundsatzes sicherzustellen sowie Doppelbesteuerung zu vermeiden.

Aus diesem Grund wurden die OECD Richtlinien als Anlage zu den VWG 2021 aufgenommen. Die seit ihrer Veröffentlichung mit den VWG 2021 gemachten Erfahrungen, insbesondere im Rahmen von steuerlichen Außenprüfungen, zeigen bei der Zielerreichung jedoch ein gemischtes Bild.

Enge Anlehnung an OECD Richtlinien begrüßenswert

Das grundsätzliche Bekenntnis der deutschen Finanzverwaltung zu den OECD Richtlinien ist zu begrüßen, da diese auch in anderen Ländern den rechtlichen Rahmen der lokalen Verrechnungspreisregelungen bilden und so eine einheitliche Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes, zum Beispiel beim Aufsetzen oder Umstellen von Verrechnungspreissystemen von Unternehmensgruppen, ermöglicht wird. Zudem bilden die OECD Richtlinien im Regelfall auch den Rahmen bei bi- beziehungsweise multilateralen Advanced Pricing Agreements (APAs) und Mutual Agreement Procedures (MAPs), so dass auch in diesem Zusammenhang die in den VWG 2021 festgehaltene Anwendbarkeit der OECD Richtlinien in der Tat einen Beitrag zur Vermeidung bzw. Auflösung von Doppelbesteuerung leisten kann. Ein positives Beispiel, bei denen die VWG 2021 regelmäßig zu einer deutlich vereinfachten Handhabung in der Praxis führen, ist der Bereich der Dienstleistungen mit geringer Wertschöpfung, da die VWG 2021 die in den OECD Richtlinien enthaltene Definition und kostenaufschlagsbasierte Vergütung mit einem Gewinnaufschlagssatz von fünf Prozent übernommen haben.

Anwendbarkeit auf alle offenen Jahre führt vermehrt zu Diskussion in Außenprüfungen

Als problematisch an den VWG 2021, die bekanntlich für die Finanzverwaltung bindend sind, hat sich ihre sofortige Anwendbarkeit auf alle offenen Fälle insbesondere in steuerlichen Außenprüfungen herausgestellt. Die VWG 2021 orientieren sich inhaltlich an der Gesetzeslage ab dem Veranlagungszeitraum 2022 während steuerliche Außenprüfungen Altjahre betreffen. Daher ist mitunter zu beobachten, dass Außenprüfungen die Anwendung des Development, Enhancement, Maintenance, Protection and Exploitation (DEMPE)-Konzeptes beziehungsweise des Risikokontrollansatzes der OECD bei der Fremdvergleichsanalyse in für vor dem Jahr 2021 liegenden Betriebsprüfungszeiträumen erstellten Verrechnungspreisdokumentationen erwarten, obwohl dafür keine gesetzliche Grundlage existiert.

Immaterielle Werte und Darlehenstransaktionen im Fokus der Diskussionen in Außenprüfungen

Für die Bestimmung von Verrechnungspreisen bei der Übertragung oder Nutzungsüberlassung von immateriellen Werten sehen die VWG 2021 die Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs als präferierte Methode vor. Der damit verbundene klare Vorbehalt der Finanzverwaltung gegen Lizenzdatenbankstudien und die Ablehnung der Preisvergleichsmethode bei Lizenzen widerspricht nicht nur der Auffassung der OECD Richtlinien und somit dem mit den VWG 2021 verfolgten Ziel, eine einheitliche internationale Umsetzung des Fremdvergleichsgrundsatzes sicherzustellen und Doppelbesteuerung zu vermeiden. Vielmehr erscheint es vor der gesetzlichen Regelung des § 1 Abs. 3 AStG fraglich, ob für die Präferenz der Finanzverwaltung für den hypothetischen Fremdvergleich eine gesetzliche Grundlage existiert. Denn das Gesetz beschränkt die Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs explizit auf solche Fälle, in denen keine – auch nicht eingeschränkte – Vergleichswerte festgestellt werden können.

Ebenfalls im Fokus bei derzeitigen steuerlichen Außenprüfungen stehen gruppeninterne Darlehenstransaktionen, insbesondere Inbound-Darlehen durch ausländische Finanzierungsgesellschaften. Hier sehen die VWG 2021 vor, dass gruppeninterne Finanzierungsgesellschaften für die Hingabe von Kapital an inländische Steuerpflichtige lediglich mit einem Entgelt bis zur Höhe einer risikolosen Rendite auf Basis der Kostenaufschlagsmethode vergütet werden sollen, sofern diese nicht über die Risikokontroll- bzw. -tragfähigkeit verfügen. Auch diese Auffassung der Finanzverwaltung widerspricht den OECD Richtlinien und hat mittlerweile auch von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH v. 18. Mai 2021, I R 4/17, BFH v. 18. Mai 2021, I R 62/17, BFH v. 9. Juni 2021, I R 32/17 sowie BFH v. 13. Januar 2022, I R 15/21) zutreffend eine klare Absage erhalten. So hat der BFH in seinem Grundsatzurteil vom 18. Mai 2021 (I R 4/17) im Einklang mit den OECD Richtlinien den Vorrang der Preisvergleichsmethode bei Darlehenstransaktionen bestätigt und darüber hinaus auch die Position der Finanzverwaltung in den VWG 2021 explizit abgelehnt, wonach die Angemessenheit des Entgelts für die Kapitalüberlassung von den finanziellen Kapazitäten des Darlehensgebers abhänge. Da die ergangenen Urteile des BFH zu Darlehenstransaktionen bislang noch nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht wurden, stellt die Wahl der angemessenen Verrechnungspreismethode einen häufigen Streitpunkt in Außenprüfungen dar.

Plan-Ist-Abweichungen und fremdübliche Bandbreiten

Zusätzlich zu den Themenbereichen immaterielle Werte und Darlehenstransaktionen führt die in den VWG 2021 vertretene Sichtweise, dass aus dem Abgleich von Plan-Ist-Zahlen resultierende Anpassungen auf den oberen oder unteren Wert der fremdüblichen Bandbreite auf fremdunübliche Bedingungen hinweisen würden, zu Diskussionen in Außenprüfungen. Auch zeigt die Erfahrung aus der Praxis, dass mitunter von Außenprüfungen sehr hohe Anforderungen an die Widerlegung der in den VWG 2021 enthaltene Regelvermutung gestellt werden, dass Routineunternehmen innerhalb von fünf Jahren einen angemessenen Totalgewinn aufweisen sollen, obwohl die VWG 2021 eine entsprechende Öffnungsklausel (zum Beispiel bei hohen Anfangsinvestitionen oder aufgrund nicht beeinflussbarer Marktbedingungen) vorsehen.

Fazit und Ausblick

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die mit der Veröffentlichung der VWG 2021 verbundene enge Anlehnung an die OECD Richtlinien sehr zu begrüßen ist. Die in den VWG 2021 vertretenen, von den OECD Richtlinien in Teilen abweichenden Auffassungen führen jedoch mitunter zu schwierigen Diskussionen in steuerlichen Außenprüfungen und widersprechen letztlich der Zielsetzung der VWG 2021.

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