28 Februar, 2023
Von Dr. Jan Haselmann und Benn Berger. Mit dem am 27. Dezember 2022 im Bundesgesetzblatt verkündeten sog. DAC7-Umsetzungsgesetz hat der Gesetzgeber zahlreiche Vorschriften der Abgabenordnung (AO) mit besonderer Relevanz für die Verrechnungspreise geändert. Der Gesetzgeber verfolgt das Ziel, dass Außenprüfungen künftig früher begonnen und abgeschlossen werden.
Um dies zu erreichen, wird die maximale Laufzeit von Außenprüfungen grundsätzlich auf fünf Jahre begrenzt. Dem stehen Regelungen zur Verschärfung der Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen im Bereich der Verrechnungspreise und neue Sanktionen für Verstöße gegen Mitwirkungspflichten gegenüber.
Die neuen Vorschriften treten am 1. Januar 2023 in Kraft. Grundsätzlich sind die geänderten Vorschriften der Abgabenordnung nach § 37 Abs. 2 Einführungsgesetz zur Abgabenordnung (EGAO) erstmals auf Steuern oder Steuervergütungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2024 entstehen, d. h. sie betreffen erst die Veranlagungszeiträume ab 2025. Dies betrifft insbesondere die Verkürzung der Betriebsprüfung auf maximal fünf Jahre durch eine Verschärfung der Festsetzungsverjährung.
Die Regelungen zu den Mitwirkungspflichten in den §§ 90 Abs. 3 Satz 5 und 6, Abs. 4 und 5, 153 Abs. 4, 200a Abs. 1 bis 3 und 6 AO gelten hingegen auch für frühere Veranlagungszeiträume, wenn für diese Steuern eine Prüfungsanordnung nach dem 31. Dezember 2024 bekanntgegeben wird. Bereits in Betriebsprüfungen im Jahr 2025 werden also diese Regelungen dann ggf. auch für heute bereits vergangene Veranlagungszeiträume eine Rolle spielen.
Nach dem neuen § 90 Abs. 4 AO ist die Verrechnungspreisdokumentation im Fall einer Außenprüfung anders als bisher „ohne gesondertes Verlangen“ vorzulegen. Die Aufzeichnungen sind stets innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorzulegen. Die Frist von 30 Tagen ist durchaus knapp bemessen für die (ggf. erstmalige) Erstellung einer verwertbaren Verrechnungspreisdokumentation. Es empfiehlt sich daher, die Vorlaufzeit bis zum 1. Januar 2025 zu nutzen, um den Bedarf zu analysieren und ggf. fehlende Dokumentationen zu erstellen. Nur so kann sichergestellt werden, dass diese in Betriebsprüfungen ab dem 1. Januar 2025 unaufgefordert und fristgerecht vorgelegt werden können. Die verspätete Vorlage (einer verwertbaren Dokumentation) wird gemäß § 162 Abs. 4 Satz 4 AO mit einem Zuschlag von mindestens 100 Euro für jeden vollen Tag der verspäteten Vorlage, maximal mit einer Million Euro, sanktioniert.
Neu ist die gesetzlich explizit geregelte Möglichkeit für die Finanzverwaltung, die Vorlage einer Verrechnungspreisdokumentation „jederzeit“, also auch außerhalb der Außenprüfung zu verlangen. Dies soll nach Gesetzesbegründung keine Änderung der Rechtslage darstellen. Der Gesetzgeber geht dabei z. B. von einer Anforderung bei Beantragung eines Vorabverständigungsverfahrens aus, um ein einheitliches Gesamtbild der Verhältnisse im Zeitablauf zu erhalten und so ein effizientes Ineinanderwirken der Verfahren zu ermöglichen. Es ist derzeit nicht davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung Stichproben ins Blaue hinein durchführen wird. Der Gesetzgeber geht allerdings davon aus, dass aufgrund der kurzen Vorlagefrist von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung die Dokumentation laufend zu erstellen ist, sodass auch bei einer Anforderung außerhalb einer Betriebsprüfung dem Steuerpflichtigen eine Vorlage möglich sein sollte. Auch vor diesem Hintergrund werden sich Steuerpflichtige darauf einstellen müssen, dass es empfehlenswert sein kann, laufend aktuelle Verrechnungspreisdokumentationen vorzuhalten.
Mit dem neuen § 200a AO werden die Tatbestände des „qualifizierten Mitwirkungsverlangens“, der „Mitwirkungsverzögerung“ und des „Mitwirkungsverzögerungsgeldes“ eingeführt. Damit werden für Betriebsprüfungen, die ab dem 1. Januar 2025 angeordnet werden, Mitwirkungspflichtverletzungen potentiell mit einem Strafgeld von bis zu 3,75 Million Euro (Tagessatz 25.000 Euro für maximal 150 Tage) geahndet. Hinzu kommt die ohnehin drohende Strafe einer Hinzuschätzung, wenn der relevante (Auslands-) Sachverhalt wegen fehlender Mitwirkung des Steuerpflichtigen nicht hinreichend aufgeklärt werden kann.
Verschärfend wirkt die Neuregelung nicht nur wegen des Verzögerungsgeldes, sondern auch, weil das qualifizierte Mitwirkungsverlangen innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe zu erfüllen ist. Die Frist kann nur in begründeten Einzelfällen verlängert werden. Eine Anfrage zur Unzeit kann einen solchen begründeten Einzelfall darstellen. Zu berücksichtigen ist dabei jedoch, dass das qualifizierte Mitwirkungsverlangen erst nach Ablauf von sechs Monaten seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung Anwendung findet. Der Steuerpflichtige hat also grundsätzlich bereits ausreichend Zeit, sich auf entsprechende Prüfungsanfragen vorzubereiten. Ob eine Anfrage zur Unzeit tatsächlich ein begründeter Einzelfall ist, der eine Fristverlängerung rechtfertigt, bleibt aber eine Frage des Einzelfalls. In Betracht für einen solchen Einzelfall kommt z. B. die krankheitsbedingte Abwesenheit mehrerer für die Beantwortung der Anfrage essentieller Mitarbeiter, wenn die Anfrage nicht oder nicht innerhalb der Monatsfrist durch andere Mitarbeiter beantwortet werden kann.
Vor dem Hintergrund des drohenden Verzögerungsgeldes und der knapp bemessenen Monatsfrist zur Beantwortung von qualifizierten Mitwirkungsverlangen kann es empfehlenswert sein, potentiell relevante Informationen und Unterlagen bereits in Vorbereitung auf künftige Betriebsprüfungen zusammenzustellen. Dies gilt z. B. für unternehmens- oder konzerninterne Kommunikation (E-Mails etc.), wenn sie einen dokumentationspflichtigen Sachverhalt betrifft.
Wenn die Betriebsprüfung eine andere Rechtsauffassung vertritt als sie der Steuerpflichtige z. B. bei der Erstellung der Verrechnungspreisdokumentation angenommen hat, führt dies häufig auch dazu, dass Uneinigkeit darüber besteht, welche Informationen oder Unterlagen überhaupt steuerlich relevant und deshalb vorzulegen sind. Im Idealfall kann die Möglichkeit einer abweichenden Auffassung der Betriebsprüfung bereits bei Erstellung der Dokumentation oder in Vorbereitung auf eine Betriebsprüfung berücksichtigt werden – auch und gerade mit Blick auf die zu erwartenden Prüfungsanfragen. Gelingt dies nicht, bietet die Neuregelung jedenfalls eine neue Rechtsschutzmöglichkeit: Sowohl das qualifizierte Mitwirkungsverlangen als auch die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes stellen Verwaltungsakte dar.
Das bedeutet, dass hiergegen mit Einspruch und Anfechtungsklage vorgegangen werden kann. Auch einstweiliger Rechtsschutz (Aussetzung der Vollziehung) ist möglich. Das bietet die Chance, nicht nur die Grenzen zulässiger Prüfungsanfragen, sondern damit verbunden auch einzelne materiell-rechtliche Teilfragen zur Bestimmung der steuerlichen Verrechnungspreise bereits in der laufenden Betriebsprüfung einer (vorläufigen) gerichtlichen Klärung zuzuführen.
In der Vergangenheit soll es Fälle gegeben haben, in denen ein Antrag auf Durchführung eines Verständigungsverfahrens mit der Begründung abgelehnt wurde, die Änderung, die zu einer Doppelbesteuerung geführt habe, beruhe auf einem eigenen Änderungsantrag des Steuerpflichtigen. Wir sehen nur ein geringes Risiko, dass diese Argumentation auch für Folgeänderungen aufgrund des neuen § 153 Abs. 4 AO angewendet wird. § 153 Abs. 4 AO zwingt den Steuerpflichtigen zur Folgeänderung. Eine dadurch ausgelöste Doppelbesteuerung kann also nicht in den Verantwortungsbereich des Steuerpflichtigen gelegt werden, da es an einer eigenen freiwilligen Entscheidung fehlt.
Die Änderungen haben insbesondere für die Erstellung von Verrechnungspreisdokumentationen weitreichende Auswirkungen. Diese sollten nunmehr laufend erstellt werden, um den gesetzlichen Vorgaben jederzeit nachkommen zu können. Es bleibt abzuwarten, ob durch die qualifizierten Mitwirkungsverlangen tatsächlich häufiger eine gerichtliche Klärung von Einzelfragen ermöglicht wird.
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