Region DACH – Deutschland: BFH-Urteil zu Zollwertermittlung bei grenzüberschreitenden Geschäften zwischen verbundenen Unternehmen

28 Februar, 2023

Von Dagmar Obermeyer und Yukiko Kono. In seiner Folgeentscheidung zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) „Hamamatsu“ findet der Bundesfinanzhof (BFH) klare Worte zum Verhältnis von Zollwert und Verrechnungspreisen bei aus zollrechtlicher Sicht verbundenen Unternehmen, lässt jedoch in der praktischen Umsetzung viele Fragen offen. Dies zeigt unter anderem das jüngst veröffentlichte Urteil des Finanzgerichts (FG) München (Az: 14 K 588/20).

Sachverhalt

Im Hamamatsu-Fall erhielt die deutsche GmbH regelmäßig von der japanischen Konzernmutter Waren, welche sie in Deutschland zum zollrechtlich freien Verkehr anmeldete. Als Zollwert wurden die ihr in Rechnung gestellten Preise (Transaktionswert) angegeben. Aufgrund einer Vorabverständigungsvereinbarung (sog. APA) mit der Konzernmutter, nach der der konzerninterne Verrechnungspreis auf Basis der Restgewinnaufteilungsmethode zu ermitteln war, erhielt sie nach Abschluss des Geschäftsjahres eine Gutschrift und beantragte beim Zoll eine anteilige Erstattung der entrichteten Einfuhrabgaben, ohne den Anpassungsbetrag auf die einzelnen Warenlieferungen aufzuteilen.

Vorangegangene Urteile

Nach einem Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH (C-529/16 vom 20. Dezember 2017) lehnte das FG München in seinem Urteil (14 K 2028/18 vom 15. November 2018) die beantragte Erstattung ab, ließ jedoch die Revision beim BFH zu. Diese hat der BFH nun als unbegründet zurückgewiesen (VII R 2/19 vom 17. Mai 2022, veröffentlicht am 29. September 2022).

Entscheidung des BFH

Der BFH stellt fest, dass ein vereinbarter Transaktionswert nicht als Zollwert zugrunde gelegt werden kann, wenn er sich teilweise aus einem zunächst in Rechnung gestellten und angemeldeten Betrag und teilweise aus einer pauschalen Berichtigung nach Ablauf des Abrechnungszeitraums zusammensetzt, ohne dass sich sagen lässt, ob am Ende des Abrechnungszeitraums überhaupt eine Berichtigung erforderlich ist und ob diese mögliche Berichtigung nach oben oder nach unten erfolgt. Das gilt auch bei Anwendung der sog. Schlussmethode nach Art. 74 Abs. 3 Unionszollkodex.

Entscheidend ist, dass der Zollwert zum Zeitpunkt der Zollanmeldung objektivierbar und quantifizierbar ist.

Eine Erstattung von Einfuhrabgaben setzt voraus, dass diese im Zeitpunkt der Zahlung gesetzlich nicht geschuldet waren; dies hat der beantragende Wirtschaftsbeteiligte nachzuweisen.

Der BFH sah diesen Nachweis im Urteilsfall unter Berücksichtigung des APA als nicht erbracht an. Eine solche (pauschale) Verrechnungspreisanpassung bleibt jedenfalls im Rahmen sämtlicher Zollwertermittlungsmethoden aufgrund der Waren- und Stichtagsbezogenheit der Zollwertermittlung ohne mindernden Einfluss auf den maßgeblichen Zollwert.

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Auswirkungen auf die Praxis

Obwohl der Tenor des Urteils deutlich erscheint, lässt er Fragen zur Umsetzung in der Praxis offen, zumal zu berücksichtigen ist, dass es sich vorliegend um eine Einzelfallentscheidung handelt, welcher nur bedingt allgemein geltende Aussagen entnommen werden dürfen.

Der Nachweis eines Zollerstattungsanspruchs aufgrund einer pauschalen Gutschrift seitens des Verkäufers nach Überführung der Waren in den freien Verkehr wird in Ermangelung einer Produktbezogenheit der Gutschrift weiterhin als problematisch erachtet werden müssen.

Ist eine produktbezogene Verrechnungspreisanpassung vertraglich vorgesehen, sollten in der Praxis Vereinbarungen zu Verrechnungspreisanpassungen (Preisanpassungsklauseln) bereits bei Abgabe der Zollanmeldung abgeschlossen sein. Hierauf basierende, spätere Anpassungszahlungen sollten allein anhand von Rechenvorgängen vorgenommen werden (können), ohne dass es der Ausübung eines Ermessensaktes jeglicher Art durch die Vertragsparteien bedarf. 

Ggf. kann auch die frühzeitige Einbindung der Zollbehörden in das Vorabverständigungsverfahren sowie die Beantragung der Bewilligung der vereinfachten Zollanmeldung Rechtssicherheit bringen. Im Rahmen einer vereinfachten Zollanmeldung werden bei Überführung in ein Zollverfahren auf einige, sonst erforderliche Angaben verzichtet. Die fehlenden Angaben werden im Rahmen einer ergänzenden Zollanmeldung nachgereicht. In der Bewilligung, die vorab beim zuständigen Hauptzollamt beantragt werden muss, ist insbesondere festgelegt, wann die ergänzende Zollanmeldung abzugeben ist; dies kann u. U. auch ein Zeitpunkt nach erfolgter Jahresendanpassung sein.

Umstritten ist derzeit, ob nach dem Urteil eine Verpflichtung zu einer Nachmeldung der nachträglichen Jahresanpassungen (mit der Folge zollamtlicher Nacherhebungen) besteht. Das FG München hat in der Rs. 24 K 588/20 am 25. Januar 2023 ein Urteil veröffentlicht, in dem es aufgrund konzerninterner pauschaler Nachbelastungen festgesetzte zollamtliche Nacherhebungen für rechtswidrig erklärt. Das Verfahren befindet sich derzeit in Revision beim BFH (Rs. VII R 36/22).

In Anbetracht der unklaren Rechtslage kann ein Absehen von Nachmeldungen grundsätzlich weiterhin zu vehementen Konsequenzen führen. Die deutsche Zollverwaltung ist bei nachträglichen konzerninternen Anpassungen bislang von einer meldepflichtigen Preisbeeinflussung bei verbundenen Unternehmen ausgegangen, die eine Nacherhebung rechtfertigt; diese Ansicht wird auch im anhängigen Revisionsverfahren von zollamtlicher Seite vertreten.  

Mithin erscheint es sinnvoll, dem zuständigen Hauptzollamt zunächst auch weiterhin erhöhende rückwirkende Jahresanpassungen als (eventuell) steuerlich erhebliche Tatsachen unter Hinweis auf die derzeitige Rechtsunklarheit aufgrund des BFH-Urteils bzw. des beim BFH anhängigen Revisionsverfahrens rechtzeitig mitzuteilen, um mögliche strafrechtliche Risiken zu vermeiden. Sollten daraufhin Nacherhebungs- bzw. Änderungsbescheide erlassen werden, besteht die Möglichkeit, hiergegen Einspruch einzulegen bzw. die Aussetzung der Vollziehung zu beantragen. Sollte die Einspruchsfrist bereits verfristet sein, ist abzuwägen, vorsorglich einen Erstattungsantrag zu stellen. Nähere Informationen finden Sie auch in unserem Newsletter „Zollrecht aktuell Nov. 2022 (1)“ und “Zollrecht aktuell Febr. 2023 (01)“.

Fazit und Ausblick

Multinational operierende Unternehmen, die Verrechnungspreise als Grundlage für die Zollwertermittlung verwenden, sollten prüfen, ob ihre Verrechnungspreise unter Einbezug des hier erörterten BFH-Urteils eine akzeptable und vor allem rechtskonforme Grundlage für den Zollwert sein können, und ggf. weitere Möglichkeiten in Betracht ziehen, um mögliche erhöhte Einfuhrabgaben zu vermeiden. Aufgrund der bestehenden Unsicherheiten bietet sich unter Umständen eine proaktive Diskussion mit dem zuständigen Hauptzollamt an, um etwas mehr Rechtsklarheit bezüglich der Behandlung im konkreten Einzelfall zu erzielen.

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