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Ingo Bauer
Leiter des Bereichs Transport, Logistik und Tourismus bei PwC
Deutschland
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Extreme Wetterereignisse beschädigen wichtige Infrastruktur, Mitarbeitende leiden unter anhaltenden Hitzewellen und niedrige Pegelstände machen Wasserstraßen unpassierbar: Der Klimawandel wirkt sich immer stärker auf die Geschäftsmodelle von Unternehmen der Transport- und Logistikbranche aus. Logistiker sind deshalb gefordert, ihre Ansätze zum Umgang mit Energieverbrauch und Treibhausgas-Emissionen zu einer ganzheitlichen, langfristigen Klimastrategie weiterzuentwickeln. Dazu gehört auch die Bewertung der finanziellen Auswirkungen des Klimawandels auf das eigene Unternehmen.
„Die verkehrsbedingten Treibhausgas-Emissionen in der EU sind in den vergangenen 30 Jahren um über 20 Prozent gestiegen. Hauptverursacher ist dabei der Transport von Personen und Waren auf der Straße. Die Transport- und Logistikbranche ist damit europaweit der einzige Sektor, bei dem die Emissionen wachsen und das vorhandene Potenzial sowie die neuen Technologien noch nicht umfänglich genutzt werden.“
Will Deutschland bis 2050 wie geplant klimaneutral werden, müssen alle Branchen ihren Beitrag leisten. Dafür wurden jährliche Emissionsziele für jeden Sektor festgelegt. Danach müsste der Verkehrssektor seine Treibhausgas-Emissionen im Vergleich zu 1990 bis zum Jahr 2025 um 25 Prozent senken und bis 2030 um 42 Prozent.
„Um bis 2050 klimaneutral zu werden, ist eine radikale Trendwende nötig.“
Unternehmen der Transport- und Logistikbranche müssen also möglichst schnell eine ganzheitliche Klimastrategie festlegen. Diese sollte zwei Perspektiven umfassen: Transport- und Logistikunternehmen stehen einerseits vor der Aufgabe, ihre Wirkung auf den Klimawandel zu messen und zur Reduktion der Treibhausgas-Emissionen beizutragen. Andererseits müssen sie verstehen, welche finanziellen Auswirkungen der Klimawandel möglicherweise auf die Branche und ihr Unternehmen hat – und wie sich darauf vorbereiten können.
Die Coronakrise hat dabei die Dringlichkeit, eine Klimastrategie zu entwickeln, weiter erhöht: Durch die Pandemie sind die weltweiten Umsätze in der Transport- und Logistikbranche eingebrochen. Viele Unternehmen müssen ihre Logistikprozesse neu ordnen. Denn regionale Wirtschaftskreisläufe gewinnen seit Beginn der Krise an Bedeutung, während globale Abhängigkeiten abnehmen.
„Die Coronakrise stellt die Geschäftsmodelle der Branche auf eine harte Probe. Die aktuelle Situation bietet aber auch die Chance, das eigene Geschäftsmodell zu überdenken und es nachhaltig und damit zukunftsfähig zu gestalten.“
Dabei zwingen auch regulatorische Entwicklungen die Unternehmen aus dem Transport- und Logistiksektor dazu, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. So steigen etwa die Anforderungen zu einer umfassenden integrierten Berichterstattung: Wer an der Börse notiert ist, muss längst über nichtfinanzielle Belange wie den Carbon Footprint berichten.
Die Coronakrise hat dabei die Dringlichkeit, eine Klimastrategie zu entwickeln, weiter erhöht: Durch die Pandemie sind die weltweiten Umsätze in der Transport- und Logistikbranche eingebrochen. Viele Unternehmen müssen ihre Logistikprozesse neu ordnen. Denn regionale Wirtschaftskreisläufe gewinnen seit Beginn der Krise an Bedeutung, während globale Abhängigkeiten abnehmen.
„Bei der Bewertung klimawandelbezogener Risiken und Chancen helfen Szenarioanalysen. Sie testen die Belastbarkeit des Geschäftsmodells in verschiedenen Zukunftsszenarien, messen mögliche finanzielle Auswirkungen und unterstützen Unternehmen dabei, sich zukunftssicher aufzustellen.“
Der erste Schritt besteht in einer Bestandsaufnahme, um die Emissionsschwerpunkte entlang der Wertschöpfungskette zu erkennen und gezielt zu adressieren. Für den Transport- und Logistiksektor sind dabei vor allem Subunternehmerleistungen bei Transport und Lagerhaltung relevant.
Im zweiten Schritt geht es darum, konkrete Ziele zur Reduktion der Treibhausgas-Emissionen zu formulieren. Mit solchen Zielen können sich Unternehmen auf regulatorische Ziele vorbereiten und ein Signal an ihre Stakeholder senden. Dabei besteht die Möglichkeit, die eigenen Klimaziele durch die Science Based Targets Initiative (SBTi) validieren zu lassen.
Bei diesem Schritt gilt es zu analysieren, mit welchen Maßnahmen sich die Treibhausgas-Emissionen kosteneffizient reduzieren lassen. Typische Maßnahmen sind die Vermeidung von Verkehr und die Verlagerung auf effizientere, emissionsärmere Verkehrsträger. Immer wichtiger wird es, die Kraftstoffeffizienz zu verbessern und auf regenerative Energieträger umzusteigen.
Viele Logistiker setzen beispielsweise auf die Einführung eines zertifizierten Energiemanagements, die Umstellung auf eine regenerative Strom- und Wärmeversorgung und die Anwendung klimafreundlicher Kältemittel. Für die meisten Maßnahmen, insbesondere aus den Bereichen Energieeffizienz und alternative Antriebe, lohnen sich Kosten-Nutzen-Vergleiche.
Für die Umsetzung der Maßnahmen ist es sinnvoll, eine CO2-Roadmap anzulegen. Für Logistiker hängt die Ausgestaltung maßgeblich davon ab, welche Lösungen zu welchem Zeitpunkt kosteneffizient umsetzbar sind. Lösungen wie der Einsatz von Power-to-X-Kraftstoffen sind etwa im Luftverkehr heute noch nicht zu attraktiven Kosten verfügbar, können aber mittel- bis langfristig eine wichtige Rolle spielen.
Mit der externen Berichterstattung legen Unternehmen der Transport- und Logistikbranche gegenüber Finanzmarktakteuren, Kunden und der interessierten Öffentlichkeit Informationen zu den eigenen Klimaauswirkungen und zum Umgang mit dem Klimawandel offen.
Gängige Berichtsstandards und Rahmenwerke wie die Global Reporting Initiative oder der Deutsche Nachhaltigkeitskodex fragen klimarelevante Informationen strukturiert ab. Transport- und Logistikunternehmen sollten ihre Berichtspraxis zu klimarelevanten Kennzahlen, Zielen, Konzepten, Chancen und Risiken schrittweise auf- und ausbauen. Eine externe Verifizierung dieser nichtfinanziellen Informationen erhöht dabei die Glaubwürdigkeit.
Bei den Risiken müssen Unternehmen die physischen Risiken von den Übergangsrisiken unterscheiden. Die physischen Risiken beschreiben die direkten klimawandelbezogenen Gefahren, die durch die globale Erwärmung entstehen. Darüber hinaus ergeben sich beim Übergang in eine emissionsarme Welt Transitionsrisiken. Beispiele hierfür sind erhöhte Betriebskosten in Folge einer CO2-Steuer auf Kraftstoffe oder die steigenden Kapitalkosten, die durch die Umstellung auf alternative Antriebe anfallen.
Gleichzeitig tun sich jedoch auch vielfältige Chancen auf, die es zu nutzen gilt. Beispiele sind Gesamtkostenvorteile, die sich durch Elektrofahrzeuge im urbanen Umfeld ergeben, oder die Chance, sich durch eine frühzeitige Investition in emissionsarme Technologien einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Und nicht zuletzt profitiert die Zusammenarbeit mit Kunden und anderen Stakeholdern von einer offenen Kommunikation zum Thema Klimawandel.
„Wer über sein Klimaengagement berichtet, kann das Vertrauen der Kunden erhöhen.“
Die Publikation „Transport und Logistik fit machen für den Klimawandel“ analysiert und bewertet aktuelle Erkenntnisse zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Transport- und Logistikbranche. Mit der Climate Excellence Methode von PwC lassen sich die finanziellen Folgen spezifischer Risiken und Chancen aus der Transition in eine emissionsärmere Welt kalkulieren. Somit können Klimarisiken und Opportunitäten auf der Basis von Szenarien in die strategischen Entscheidungsprozesse im Unternehmen integriert werden.