Ein Interview mit Lars-Heiko Kruse. Die EU hat kürzlich neue Vorschriften im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verabschiedet. Für PwC-Experte Lars-Heiko Kruse ist das AML-Paket („Anti-Money-Laundering-Package“) der EU ein Schritt in die richtige Richtung. Im Interview erzählt er, welche Punkte ihm im Gesetzespaket zu kurz kommen und was sich ändern muss, damit bei der Bekämpfung von Finanzkriminalität mehr digitale Tools zum Einsatz kommen.
Lars-Heiko Kruse ist Partner im Bereich Forensic Services bei PwC in Berlin. Der Bankkaufmann und Rechtsanwalt ist seit 2003 für PwC tätig, anfangs im Bereich Wirtschaftsprüfung, wo er Erfahrungen bei Jahresabschlussprüfungen von Banken sammeln konnte. 2005 wechselte er in den Bereich Forensic Services und baute dort die Einheit Financial Services auf. Seine Schwerpunkte liegen bei der Aufklärung von Finanzkriminalität und der Geldwäscheprävention.
2022 hat die Financial Action Task Force („FATF“), ein internationales Gremium zur Bekämpfung von Geldwäsche, ihren Bericht vorgelegt. Darin attestiert sie Deutschland zwar Fortschritte, aber noch immer große Lücken bei der Geldwäschebekämpfung. Ist das Problem in Deutschland größer als in anderen Ländern?
Lars-Heiko Kruse: Die Prüfungsergebnisse der FATF aus den Jahren 2009/10 haben kein gutes Licht auf Deutschland geworfen. Das war jedoch eine Art Weckruf für eine Exportnation wie uns. Seitdem ist viel passiert: Alle EU-Richtlinien der vergangenen Jahre wurden sehr ernsthaft und proaktiv umgesetzt. Im Rahmen der Prüfung der FATF aus den Jahren 2021/22 fiel das Ergebnis nun auch erheblich besser aus. Es gibt allerdings noch Raum für Verbesserungen.
Zum Beispiel?
Kruse: Im Bericht kritisiert die FATF insbesondere den Nicht-Finanzsektor. Hier muss mehr Sensibilität für das Thema geschaffen werden. Ein weiteres Problem ist die Zersplitterung der zuständigen Aufsichtsbehörden. Es gibt über 300 Behörden für den Nicht-Finanzsektor. Hier setzt ein aktueller Gesetzesentwurf der Bundesregierung an. Mit dem Entwurf des Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetzes und dem Bündeln der wichtigsten Kompetenzen unter einem Dach im Bundesamt zur Bekämpfung von Finanzkriminalität (BBF) will das Bundesfinanzministerium den Kampf gegen Geldwäsche verbessern, indem sie im Wesentlichen drei Ziele verfolgt: Zum einen soll die Gesetzesinitiative die Financial Intelligence Unit, kurz FIU, also die Behörde, die Verdachtsmeldungen aufnimmt, gestärkt werden. Zum zweiten will man mit einem Ermittlungszentrum Geldwäsche eine Institution schaffen, die explizit landesübergreifend in Sachen Finanzkriminalität ermittelt. Und drittens sieht das Paket eine zentrale Aufsichtsbehörde vor, die die Geldwäsche- und Sanktionsaufsicht sowie die administrative Vermögensermittlung deutschlandweit koordiniert. Leider liegt das Gesetzespaket derzeit auf Eis, weil sich die Koalitionspartner nicht einigen können.
Dafür hat die EU kürzlich neue Vorschriften verabschiedet, um die Vorschriften zur Geldwäschebekämpfung EU-weit zu vereinheitlichen. Ist das EU-Gesetzespaket ausreichend, um Finanzkriminalität auch in Deutschland einzudämmen?
Kruse: Es ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Mir ist jedoch das Thema Technologie noch nicht präsent genug. Ich glaube, da müssen Gesetzgeber und Behörden offener sein, weil uns sonst die organisierte Kriminalität davonläuft. Diese Gruppen nutzen bereits modernste Technologien und im Kampf dagegen wird noch zu wenig auf neueste Technologie gesetzt. So kann man zwangsläufig nur hinterherlaufen.
Aus meiner Sicht gibt es bereits einige gute Anbieter auf dem Markt, die echte Unterstützung im Kampf gegen Finanzkriminalität bieten können, aber es braucht generell mehr Offenheit für neue Technologien. Ohne eine proaktive und klare regulatorische Strategie zum Thema Technologie seitens der Aufsichtsbehörden, sind viele Finanzinstitute einfach sehr vorsichtig, was den Einsatz von digitalen Komponenten, wie z. B. Künstlicher Intelligenz (KI) angeht.
Daher muss der erste Schritt bzgl. der Nutzung von KI vom Gesetzgeber bzw. den Behörden kommen. Dann können auch die Institute ihre aktuelle Zurückhaltung zu dem Thema weiter ablegen.
Woran liegt es, dass viele Finanzinstitute noch zurückhaltend sind, wenn es um Investitionen in die Digitalisierung geht?
Kruse: Dafür gibt es aus meiner Sicht zwei Gründe: Zum einen spüren die Institute von Seiten der Aufsichtsbehörden einen enormen Druck, was die Erfüllung der stetig wachsenden regulatorischen Anforderungen angeht und versuchen zu vermeiden als Vorreiter bei der Nutzung neuester Technologien Fehler zu machen. Die BaFin hat in Folge des Wirecard-Skandals die Zügel weiter angezogen und alle Prüfer explizit instruiert, sehr genau hinzuschauen. Sie führt aktuell sehr viele Sonderprüfungen gem. § 44 KWG durch.
Mit dem so genannten „Monitorship“ hat die BaFin zudem ein Modell ähnlich dem im angloamerikanischen Raum üblichen Aufsatz eingeführt. Soweit im Rahmen der Jahresabschlussprüfung im Geldwäschebereich zu viele Feststellungen auftreten, kann dem Institut ein Monitor zur Seite gestellt werden, der genau hinschauen soll, inwieweit die entsprechenden Feststellungen ordnungsgemäß abgearbeitet werden. In einer solchen Phase sind die Institute aus meiner Sicht nicht bereit, neue Technologien auszuprobieren und flächendeckend einzuführen. Wir unterstützen Institute dabei, das Monitorship erfolgreich zu beenden, damit sie sich anschließend auf den technologischen Fortschritt konzentrieren können.
Der zweite Grund sind die Kosten. Um neue Tools einzuführen, müssen teilweise auch komplette IT-Systeme optimiert und vereinheitlicht werden. Somit müssten die Finanzinstitute ein hohes Investment tätigen. Dass es zudem beim Einsatz neuester Technologien eine durchdachte Governance und entsprechende Kontrollen braucht, die für Transparenz und Sicherheit sorgen, versteht sich von selbst. Hier sind wir als Wirtschaftsprüfungsgesellschaft für unsere Mandanten ein wichtiger Sparringspartner.
PwC hat für eine Studie zum Thema Geldwäscheprävention knapp 400 Finanzinstitute in 40 Ländern befragt. Zu welchen Ergebnissen kommt diese Analyse mit Blick auf die Bereitschaft, neue Technologien zur Bekämpfung von Geldwäsche einzusetzen?
Kruse: Auch hier beobachten wir eine gewisse Zurückhaltung. Ich hätte erwartet, dass die Finanzinstitute offener sind, wenn es um den Einsatz neuer Technologien geht. Generell sind sich die Befragten weltweit zwar einig, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz ein wichtiges Element ist, um Finanzkriminalität noch besser zu bekämpfen. In der DACH-Region ist man bisher jedoch sehr vorsichtig. Die Gründe hierfür sind einerseits, wie oben beschrieben, die Skepsis seitens des Gesetzgebers bzw. der Behörden sowie andererseits, dass viele Institute über veraltete Transactions Monitoring-Systeme verfügen, deren Austausch sehr aufwendig und nur mit einem hohen Investment verbunden wäre.
Was sind die größten Stolpersteine bei der Geldwäscheprävention in Finanzinstituten?
Kruse: Hier sehe ich u. a. den Fachkräftemangel. Viele Finanzinstitute haben große Schwierigkeiten, die richtigen Ressourcen für diesen wichtigen Bereich zu finden. Wir sehen eine schwierige Gemengelage: Zum einen haben wir einen ausgeprägten Mangel an qualifizierten Nachwuchskräften, zum anderen erwarten wir zusätzliche Regulatorik. Nicht zuletzt will die neue Anti-Geldwäschebehörde der EU (Anti Money Laundering Authority, kurz AMLA), die in Frankfurt am Main ihren Sitz haben wird, 350 Leute einstellen. Das bedeutet, die Lage wird sich perspektivisch weiter zuspitzen.
Wir empfehlen unseren Kunden daher, den Fokus auf die Bindung sowie Aus- und Fortbildung von bestehendem Personal zu legen und unterstützen sie dabei, ihre Mitarbeiter:innen mit zielgerichteten Schulungen auf den Umgang mit neuen Prozessen und Technologien vorzubereiten.
Gerade vor diesem Hintergrund scheint es sinnvoll, auf Technologien zu setzen, die einen Teil der Aufgaben übernehmen können.
Kruse: Für die finale Analyse und die Qualitätssicherung wird es auch in Zukunft die Seniorität, Erfahrung und Fachkenntnisse von Spezialist:innen brauchen. Täglich wiederkehrende manuelle Arbeiten werden perspektivisch aber digitalisiert und von Technologie übernommen. Für den Übergang gibt es verschiedene Möglichkeiten, etwa Outsourcing. PwC bietet entsprechende Service an und nutzt hierfür kostengünstige Delivery Center, die eine Vielzahl von spezialisierten Analysten vorhalten. Damit fahren die Institute oft günstiger und kaufen hohe Qualität ein. So können Finanzinstitute sukzessive die Freiräume und Voraussetzungen schaffen, um nicht nur neue Technologien zu implementieren, sondern auch geeignete Expert:innen aufzubauen, die die Systeme später steuern und fachlich bespeisen können.
Zum Abschluss ein Ausblick in die Zukunft: Welche Entwicklungen erwarten Sie in den kommenden Jahren hinsichtlich des Einsatzes von künstlicher Intelligenz?
In naher Zukunft werden Tools, die künstliche Intelligenz nutzen, besser sein als Menschen, denen natürlich Fehler unterlaufen.
Mit KI wird man einerseits qualitativ besser, andererseits aber auch effizienter, sodass man sich dann wieder viel tiefer mit der eigentlichen Geldwäschebekämpfung beschäftigen kann. Institute müssen daher zwar mit hohen anfänglichen Investitionskosten rechnen, langfristig werden sie durch entsprechende Effizienzsteigerungen jedoch sowohl Risken als auch Kosten senken können.
Daher erwarte ich, dass, sobald die regulatorischen Hürden verringert werden, auch die Offenheit der in den Instituten Verantwortlichen gegenüber der Nutzung künstlicher Intelligenz steigen wird. Insgesamt wird es ein unerlässlicher Schritt in der Prävention von Finanzkriminalität sein, um künftig kriminellen Akteuren einen Schritt voraus sein zu können. Unser AML Center of Excellence unterstützt unsere Mandanten dabei, jederzeit über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden zu bleiben, und zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Schritte einzuleiten.
Nicht nur Banken und Kreditinstitute sind gefordert, ihre Maßnahmen im Kampf gegen Finanzkriminalität zu schärfen. Durch regulatorische Änderungen rückt die Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Betrugsprävention auch im Immobiliensektor, der Vermögensverwaltung und in der Glücksspielbranche in den Fokus der Aufmerksamkeit. Magdalena Hologa und Cornelia Steensgaard-Hansen, Expertinnen für das Thema Anti-Financial Crime bei PwC Deutschland, kennen die Hintergründe.
Mit steigenden Nachhaltigkeitsanforderungen und strengeren Regularien nimmt auch der Betrug im ESG-Umfeld zu – mit teils gravierenden Folgen für betroffene Unternehmen. Gunter Lescher, Partner im Bereich Risk & Regulatory sowie Forensic Services, und Senior Managerin Tatewik Kunzmann erklären, wie sich Unternehmen schützen können.