Gut versorgt mit künstlicher Intelligenz und Co.?

17 Dezember, 2018

Im Gespräch mit Sevilay Huesman-Koecke und Corinna Friedl, Expertinnen bei PwC im Bereich Gesundheitswirtschaft und Netzwerk-Initiatorinnen von women&healtcare 

Roboter, die sich in Pflegeheimen mit Bewohnern unterhalten, in Kliniken Patienten operieren oder beim Hausarzt eine erste Einschätzung zu einem Beschwerdebild abgeben: Bots, Robots und Künstliche Intelligenz (KI) bieten in der Gesundheitswirtschaft viele Anwendungsmöglichkeiten. 

Führt der Weg von Patienten in Zukunft zunächst in das Sprechzimmer eines Roboters oder einer künstlichen Intelligenz? Mit dieser Frage setzte sich das PwC-Netzwerk women&healthcare bei seinem siebten Treffen am 27. November 2018 in Frankfurt auseinander. 

Sie haben für das siebte Netzwerk-Treffen von women&healthcare „Bots, Robots und Artificial Intelligence“ als Thema ausgewählt. Warum? 

Sevilay Huesman-Koecke: Es ist ein Thema, an dem sich die Geister scheiden. Jeder Zweite hierzulande lehnt die Idee eines  Roboters, der mit künstlicher Intelligenz ausgestattet ist, ab. Gleichzeitig ist der Einsatz solcher Technologien schon lange keine Zukunftsmusik mehr. 

„Es gibt bereits eine Vielzahl von Anwendungen. Andere Länder sind da zum Teil deutlich weiter als wir hier in Deutschland. Insofern fanden wir es wichtig, den Einsatz von Bots, Robots und Künstlicher Intelligenz mit Teilnehmerinnen aus allen Bereichen der Gesundheitswirtschaft zu diskutieren.“

Sevilay Huesman-Koecke

Corinna Friedl: Dazu noch eine Beobachtung am Rande: Frauen stehen diesen Technologien deutlich ablehnender gegenüber als Männer. Das ergab unsere PwC-Studie „What Doctor?“. So beurteilen nur 37 Prozent der Frauen die Anwendung von Künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen positiv. Bei den Männern beläuft sich dieser Anteil auf 46 Prozent. Für uns ein Grund mehr, das Thema in einem Frauennetzwerk und damit in einem kritischen Umfeld aufzugreifen.

Wen meinen Sie, wenn Sie von „uns“ sprechen?

Friedl: In diesem Fall das Advisory Board von women&healthcare. Neben uns besteht das Gremium aus sechs Frauen, die C-Level-Positionen innehaben und das Netzwerk mit ihrem Know-how und ihren Erfahrungen weiter vorantreiben. Die Vertreterinnen stammen sowohl aus klassischen Bereichen der Gesundheitswirtschaft als auch aus weiteren Unternehmen der Branche wie Softwarekonzernen, Forschungsgesellschaften und akademischen Einrichtungen. Wir loten gemeinsam die Themen für unsere überregionalen Netzwerktreffen aus, die zwei Mal im Jahr stattfinden – das nächste übrigens im Frühjahr in Berlin. Konzeptionelle Impulse erhalten wir auch von Karin Maag. Sie ist seit diesem Jahr gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und die neue Schirmherrin von women&healthcare.

Wie lassen sich Bots, Robots und Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen nutzen? 

Huesman-Koecke: In ihrem Impulsvortrag hat Dr. Isabella Erb-Herrmann von der AOK Hessen einen guten Überblick gegeben, welchen Einfluss diese neuen Technologien auf unser Gesundheitssystem haben – wie beispielsweise Robotic Process Automation, kurz RPA. Das sind selbstständig laufende Programme, die sich gut eignen, um Patientendaten aufzubereiten. Am Nachmittag zeigte ein Workshop anhand eines Beispiels aus der Praxis, wie RPA im Gesundheitswesen für administrative Tätigkeiten genutzt werden kann.

Friedl: Am spektakulärsten ist natürlich der Einsatz von Robotern: Da hat sich bei unserem Treffen gleich am Eingang ein zierlicher, menschenähnlicher Roboter namens Pepper vorgestellt, der Pflegeheim-Bewohner unterhalten und sie zu Übungen und Gymnastik animieren kann. 

„Spezielle Pflegeroboter können Pflegefachkräfte bei einzelnen Aufgaben entlasten, sodass mehr Zeit für die Patienten selbst bleibt. Erprobt werden derzeit auch intelligente Pflegewagen, die das Personal mit den nötigen Utensilien versorgen und ihm damit viele Laufwege abnehmen.“

Corinna Friedl,Director, PwC Germany

Huesman-Koecke: Besonders vielversprechend sind die Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz bei der Diagnose: Bei der Auswertung von Mammografien oder dem Erkennen von Netzhauterkrankungen weisen solche Geräte eine enorm hohe Treffergenauigkeit auf. Gut denkbar, dass KI einmal eingesetzt wird, um anhand der Symptome eines Patienten erste Vorschläge für die weitergehende Behandlung zu machen. Denn das Potenzial dieser Technologien ist noch längst nicht ausgeschöpft. 

Wahrscheinlich muss man viele Dinge einmal gesehen haben, um sich das vorstellen zu können. So wie den Pflegeassistenten Pepper...

Friedl: Dazu war mittags unser Marktplatz da. Expertinnen und Experten von PwC und externen Unternehmen zeigten an konkreten Beispielen, was mit Bots, Robots und KI machbar ist. So wurde dort eine Anwendung zur Bekämpfung von Produktpiraterie in der Pharmabranche vorgestellt. Mit diesem Anti-Piracy-Tool haben wir eine optimierte Suchmaschine, die abseits bekannter Marktplätze nach Piraterieprodukten sucht und dabei automatisch lernt, Nachahmer von Originalen immer differenzierter zu unterscheiden. 

Huesman-Koecke: An einem anderen Stand ging es um Bodylogical, einer von PwC entwickelten Anwendung, die auf Augmented Reality basiert. Sie visualisiert zum Beispiel die Bewegungsabläufe von Patienten auf der Grundlage von Big Data, um den Erfolg möglicher Therapien besser abzuschätzen. Weitere Einsatzmöglichkeiten von Big Data bieten das Healthcare Reporting oder die Präzisionsmedizin. Diese konkreten Beispiele, die auf dem Marktplatz vorgestellt wurden, kamen bei den Teilnehmerinnen gut an. Auch in den Workshops am Nachmittag konnten sie sich eingehend mit dem Potenzial dieser Technologien auseinandersetzen. 

Gab es Punkte, die kontrovers diskutiert wurden?

Huesman-Koecke: Diskussionen entzündeten sich vor allem an ethischen Fragen: Wer trägt die Verantwortung, wenn eine Fehldiagnose durch eine Künstliche Intelligenz erstellt wurde und dadurch ein Mensch stirbt? In welchen Bereichen können und dürfen wir überhaupt Vertrauen und Verantwortung abgeben, wo gibt es Grenzen? In diesem Punkt zählt vor allem die Einschätzung von Patienten. Die PwC-Studie „What Doctor“ hat gezeigt, dass Menschen skeptisch werden, sobald ein Roboter Hand an sie legt – beispielsweise Wunden näht und verbindet oder gebrochene Knochen stabilisiert.

Zeichnete sich am Ende so etwas wie ein Grundkonsens ab? 

Friedl: Gegen Ende der Veranstaltung stimmten die Teilnehmerinnen in ihrer Meinung doch weitgehend überein: Eine zentrale Forderung lautete, den Einsatzbereich einzelner Technologien klar zu definieren und alle davon betroffenen Gruppen anzuhören. Denn solche Technologien dürfen niemals nur Selbstzweck sein, sondern müssen in letzter Instanz dem Wohl der Patienten dienen. Deswegen ist es so wichtig, vor dem Einsatz von Bots, Robots und KI das Ziel, das mit ihnen erreicht werden soll, genau zu hinterfragen. Menschliche Zuwendung und Erfahrung bleiben im Gesundheitswesen die bestimmenden Elemente. 

Huesman-Koecke: Wir haben nach den Vorträgen wie auch während der Workshops spannende Diskussionen geführt und nach der Veranstaltung ein sehr positives Feedback von den Teilnehmerinnen bekommen. Es ist schön zu sehen, dass sich viele der Frauen inzwischen kennen, wir aber bei den Treffen auch immer wieder neue Gesichter begrüßen dürfen. 

Unsere Experten

Sevilay Huesman-Koecke, Head of Business Development im Bereich Gesundheitswirtschaft bei PwC

Sevilay Huesman-Koecke

Sevilay Huesman-Koecke war bis 2022 International Director und Head of Business Development im Bereich Gesundheitswirtschaft bei PwC. Außerdem ist die Expertin Initiatorin des externen PwC-Frauennetzwerkes women&healthcare.

Corinna Friedl

Corinna Friedl ist Director Assurance Healthcare Services bei PwC. Sie verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Bereich der Prüfung und Beratung von Gesundheitsdienstleistern. Außerdem ist sie Initiatorin des externen Netzwerks women&healthcare.

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Janina Kroll

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Senior Manager, PwC Germany

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