28 November, 2018
Die Studie „Global Innovation 1000“ von Strategy&, der Strategieberatung von PwC, untersucht jedes Jahr die Innovationsaktivitäten der börsennotierten Unternehmen mit den weltweit höchsten Budgets für Forschung und Entwicklung. In diesem Jahr erreichen mit Volkswagen, Daimler und Siemens drei traditionsreiche deutsche Industriekonzerne die Top 20.
Im Interview spricht Dr. Klaus-Peter Gushurst, Leiter Industries und Innovation bei PwC, über die Innovationskraft der deutschen Industrie und warum Geld allein noch nicht innovativ macht.
Herr Dr. Gushurst, wie innovativ ist die deutsche Industrie?
Weltweit sind die Forschungsausgaben der 1000 innovationsstärksten, börsennotierten Unternehmen im letzten Jahr rapide gestiegen – um über 11 Prozent auf rund 782 Mrd. Dollar. Auch die durchschnittliche Forschungsintensität, also der Anteil der FuE-Ausgaben am Gesamtumsatz, liegt bei einem neuen Rekordwert von 4,5 Prozent. Auffällig ist, dass vor allem chinesische und europäische Unternehmen ihre Forschungsbudgets nach oben geschraubt haben. Dennoch werden die Top 20 weiterhin von US-amerikanischen Technologiekonzernen wie Apple, Alphabet, Amazon und, erstmals, auch Netflix dominiert.
„Die deutsche Industrie darf sich nicht zurücklehnen und das Innovationsfeld anderen überlassen.“
Verliert die deutsche Industrie den Anschluss an die globale Innovationselite?
Das kann man so pauschal nicht sagen: Mit VW, Daimler und Siemens können sich beispielsweise drei Vertreter „klassisch“ deutscher Industrien unter den Top-Innovatoren positionieren. Auch insgesamt betrachtet haben die FuE-Aufwendungen der deutschen Konzerne im letzten Jahr zugelegt: Sie stiegen um mehr als sechs Prozent auf 53,9 Mrd. Euro. Dieser Zuwachs liegt zwar unter dem globalen Durchschnitt, man darf dabei aber nicht vergessen, dass die Forschungsausgaben hierzulande bereits seit Jahren auf einem hohen Niveau liegen. Das macht große Wachstumssprünge schwieriger. Klar ist aber auch: Die deutsche Industrie darf sich nicht zurücklehnen und das Innovationsfeld anderen überlassen.
Deutsche Konzerne erhöhen Ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung
Geld allein macht noch nicht innovativ. Worauf müssen deutsche Industrieunternehmen achten, wenn Sie Innovationsführer werden oder bleiben wollen?
Ohne angemessene FuE-Budgets geht in technologiegetriebenen Branchen – etwa dem Maschinenbau – natürlich wenig. Dennoch zeigt unsere Studie, dass für die Innovationsführerschaft nicht nur Geld, sondern auch andere Fähig- und Fertigkeiten im Unternehmen benötigt werden: die enge Verzahnung der Innovations- mit der Geschäftsstrategie, eine unternehmensweit gelebte Innovationskultur, das persönliche Engagement des Managements, das Verständnis für Kundenbedarfe, die fokussierte Auswahl von FuE-Projekten und – am wichtigsten – das Orchestrieren dieser verschiedenen Aspekte zu einem Gesamtbild.
Was läuft in dieser Hinsicht bereits gut? Und wo hakt es aus Ihrer Erfahrung am häufigsten?
Durch die zunehmende Digitalisierung in fertigenden Unternehmen bieten sich ganz neue Möglichkeiten für Innovationen. Und diese gehen weit über reine Effizienzgewinne – etwa durch Rapid Prototyping, End-to-End-Simulation oder Digital Twins – hinaus. Konkrete Forschungsvorhaben können immer mehr in digitale Inkubatoren ausgegliedert werden, wo sie oftmals einen ganz neuen Schub erfahren. Wichtig aus meiner Sicht ist, dass gerade fertigende Unternehmen eine neue, agilere Innovationskultur entwickeln, die das ganze Unternehmen umfasst und sich nicht auf einzelne Silos beschränkt. Forschungsprojekte sollten schlank gemanagt werden – und nicht verwaltet.
Was empfehlen Sie konkret?
„Entscheider müssen die Innovationsfähigkeit ihrer Organisation fördern, wo es nur geht.“
Schaffen Sie eine Innovationskultur, die zu Ihrem Unternehmen, Ihren Mitarbeitern sowie Ihren Produkten und Dienstleistungen passt. Gerade deutsche Industrieunternehmen mit ihrem hohen Qualitätsanspruch können Innovationen noch stärker ins Zentrum ihres Handels rücken. Für Entscheider bedeutet das, dass sie die Innovationsfähigkeit ihrer Organisation fördern müssen, wo es nur geht – auch Scheitern muss erlaubt sein. Leider ist immer noch das Gegenteil in vielen Unternehmen der Fall. Hier hilft ein Blick auf die Startup-Kultur: Flache Hierarchien, kurze Entscheidungswege und transparente Prozesse. Warum also nicht mal mit einem Startup zusammenarbeiten, um die eigene Kultur zu verändern?
Dr. Klaus-Peter Gushurst ist Leiter Industries & Innovation bei PwC Deutschland. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Unternehmensführung und Leadership sowie strategische Transformation. Zuvor war er langjähriger Senior Partner bei Booz & Company / Booz Allen & Hamilton Inc., Management Director / Sprecher der Geschäftsführung für die DACH-Region und Mitglied des weltweiten Board of Directors.