Interview: Predictive Maintenance 4.0 – mehr als nur ein Hype

12 Dezember, 2018

Unternehmen professionalisieren ihre Instandhaltung 

Klaus-Peter Gushurst, Leiter des Bereichs Industries und Innovation bei PwC, und Michael Bruns, PwC-Experte für Predictive Maintenance, erläutern, welche Ergebnisse sich mit der digitalen Überwachung von Maschinendaten erzielen lassen und was erfolgreiche Anwender besser machen als andere.

Predictive Maintenance 4.0 - Ingenieure bei Maschinen-Wartung

Herr Gushurst, in der aktuellen Neuauflage der Studie „Predictive Maintenance 4.0“ werden verschiedene Reifegrade von vorausschauender Wartung unterschieden. Der Anteil von Unternehmen mit dem höchsten Reifegrad stagniert. Verschläft die Industrie hier einen wichtigen Trend?

Klaus-Peter Gushurst: Das wäre ein zu pauschales Urteil. Richtig ist, dass der Anteil jener Anwender, die Machine Learning und Predictive Analytics anwenden und hier den höchsten Reifegrad erreichen, seit der Vorgängerstudie im Jahr 2017 konstant bei elf Prozent liegt. Daran wird deutlich, dass die Entwicklung und Implementierung entsprechender Industrie 4.0-Lösungen nicht von heute auf morgen funktioniert – und natürlich auch Geld kostet.

Warum sind viele Unternehmen noch zurückhaltend?

Gushurst: Die Mehrzahl jener Firmen, die noch nicht auf vorausschauende Wartung via Sensoren et cetera setzen, nennt die Kosten und einen fehlenden Business Case als Hauptgrund für ihre Zurückhaltung. Allerdings planen mittlerweile deutlich mehr Verantwortliche als im Vorjahr, Predictive Maintenance 4.0 einzusetzen: nämlich 60 statt 49 Prozent. Das heißt: Immer mehr Verantwortliche erkennen einen Mehrwert beim Thema vorausschauende Wartung.

Herr Bruns, was können smarte Predictive Maintenance-Lösungen genau leisten?

Michael Bruns: Die meisten Unternehmen versprechen sich Vorteile in den Bereichen, die sie auch bei der traditionellen Wartung sehen – also längere Betriebs- und Lebenszeiten ihrer Maschinen und Anlagen, Kostenreduktionen sowie reduzierte Unfall- und Gesundheitsrisiken. Und wie unsere Gemeinschaftsstudie zeigt, erzielen 95 Prozent derjenigen, die vorausschauende, digitale und sensorbasierte Systeme einsetzen, tatsächlich Verbesserungen in diesen Bereichen.

„Vielen Unternehmen gelingt es bereits, die Lebensdauer älterer Maschinen um 20 Prozent zu erhöhen.“

Michael Bruns, PwC Experte für Predictive Maintenance

Haben Sie ein Beispiel parat?

Bruns: Etwa die Hälfte der befragten Anwender vorausschauender Wartung verbesserte sich bei mindestens einem – meist sogar bei mehreren – Wertschöpfungstreibern. So gelang es ihnen beispielsweise, die Lebensdauer älterer Maschinen um durchschnittlich 20 Prozent zu erhöhen, indem Informationen über deren Zustand früher verfügbar waren als bisher. Bei der Reduktion von Gesundheits- und Sicherheitsrisiken waren es im Schnitt 14 Prozent.

Sind die Ergebnisse auch auf ganze Produktionsanlagen übertragbar?

Bruns: Das lässt sich noch nicht genau sagen, da sich die Fortschritte derzeit zumeist noch auf einzelne Maschinen und Anlagen beziehen. Es könnte theoretisch sein, dass Firmen ihre Pilotprojekte insbesondere in Bereichen durchführen, wo sie schnelle und deutliche Resultate erwarten. Dennoch zeigen die Ergebnisse klar das große Potenzial der Technologie. Schließlich beginnen die Firmen gerade erst, sich intensiver mit dem Thema Predictive Maintenance auseinanderzusetzen.

Was unterscheidet bei Predictive Maintenance 4.0 erfolgreiche von weniger erfolgreichen Unternehmen?

Gushurst: Die „Industrial Champions“, wie wir sie nennen, verzeichnen mit vorausschauender Instandhaltung bei den Wertschöpfungstreibern – also Betriebs- und Lebenszeiten ihrer Maschinen und Anlagen, Kostenreduktionen sowie reduzierten Unfall- und Gesundheitsrisiken – Verbesserungen von mehr als 25 Prozent. 18 der 298 untersuchten Firmen sind auf diesem Level. Sie sind in der Lage, mit großen Mengen an Maschinendaten Condition Monitoring zu betreiben. Da geht es zum Beispiel um digitale Zustandsdaten sowie um Wartungshistorien der Maschinen und Anlagen. Zusätzlich greifen sie auf Umweltdaten zurück.

Welche Vorteile hat diese Form von Data Analytics?

Bruns: Mit zusätzlichen, externen Daten und zuvor ungenutzten Informationen lassen sich neue Erkenntnisse für die vorausschauende Instandhaltung gewinnen. Außerdem setzen Champions bei vorausschauender Wartung nicht nur bei der Maschine, sondern auch beim Personal an, verfügen aber vor allem über deutlich mehr IT-Spezialisten. Das schlägt sich dann beispielsweise in leistungsfähigerer Software und ausgefeilten Sensor-Systemen für die Zustandsüberwachung nieder. Künstliche Intelligenz wird hier sicher auch bald eine größere Rolle spielen.

„Die Einführung von Predictive Maintenance ist mehr als ein technologischer Wandel: Es geht vielmehr um eine neue Innovationskultur in der Industrie.“

Klaus-Peter Gushurst, Leiter Industries und Innovation bei PwC Deutschland

Was raten Sie Unternehmen, die den ersten Schritt zum Einsatz von Predictive Maintenance machen möchten?

Bruns: Die Verantwortlichen sollten zunächst schauen, wo sie bei der vorbeugenden Wartung stehen, um davon ausgehend eine intelligente Mittelfriststrategie zu entwerfen, die optimal zur Unternehmensstrategie passt. Pilotprojekte an einzelnen Anlagen oder Anlagentypen signalisieren recht schnell, wo für einzelne Unternehmen die größten Potenziale liegen, wo also Maintenance-Mehrwert zu erwarten ist. Und sie müssen angesichts der großen Datenmengen unbedingt die IT-Sicherheit einbeziehen.  

Gushurst: Im Zuge dieser Transformation sollten zudem Teams aus unterschiedlichen Bereichen zusammenarbeiten und die Freiheit bekommen, Neues zu probieren. Auch Scheitern muss bei der Digitalisierung erlaubt sein. Denkt man die Entwicklung weiter, sind ganze Ökosysteme vorstellbar, die etwa Forschungseinrichtungen, Lieferanten und andere externe Partner einschließen. Da sprechen wir nicht mehr von einem rein technologischen Wandel – vielmehr geht es um eine völlig neue Innovationskultur.

Die PwC-Experten

Klaus-Peter Gushurst

Dr. Klaus-Peter Gushurst ist Leiter Industries & Innovation bei PwC Deutschland. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Unternehmensführung und Leadership sowie strategische Transformation. Zuvor war er langjähriger Senior Partner bei Booz & Company / Booz Allen & Hamilton Inc., Management Director / Sprecher der Geschäftsführung für die DACH-Region und Mitglied des weltweiten Board of Directors.

Michael Bruns

Michael Bruns ist Experte im Bereich Digital Operation Analytics & IoT bei PwC Deutschland. Er besitzt mehr als 15 Jahre Erfahrung in der Planung und Umsetzung von Data & Analytics basierten Lösungen. Zudem ist er verantwortlich für die Entwicklung der „PwC Smart Manufacturing Analytics“-Plattform, welche das Design und die Implementierung von „Smart Factory/Industry 4.0“-Lösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette vereinfacht. Hierzu gehören beispielsweise Lösungen wie Predictive Maintenance, Condition Monitoring oder Prozessoptimierung.

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Dr. Klaus-Peter Gushurst

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Michael Bruns

PwC-Experte für Predictive Maintenance, PwC Germany

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