Region DACH – Deutschland: Richtungsweisendes Urteil des BFH zur Preisfindung bei konzerninternen Finanztransaktionen

30 November, 2021

Von Tanja Keser, Dr. Oliver Busch, Dr. Jörg Hülshorst. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 18. Mai 2021 (Rechtssache I R 4/17), das am 21. Oktober 2021 veröffentlicht worden ist, ein richtungsweisendes Urteil zur Preisfindung bei Finanztransaktionen gefällt und damit das hoch umstrittene Urteil des Finanzgerichts Münster vom 7. Dezember 2016 aufgehoben (13 K 4037/13 K,F; im Folgenden: FG Münster) und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG Münster zurückverwiesen. 

Das Urteil ist unter diesem Link abrufbar. Gleichzeitig nutzt der BFH die Urteilsbegründung, um dem Finanzgericht sehr grundlegende Hinweise zur Angemessenheitsanalyse bei konzerninternen Darlehenstransaktionen mitzugeben. Im Folgenden fassen wir das Urteil zusammen und gehen auf die weitreichenden Implikationen für die Praxis ein. 

Sachverhalt

Eine niederländische Finanzierungsgesellschaft (im Folgenden: FinCo) reichte an ihre in Deutschland ansässige, operative Schwestergesellschaft (im Folgenden: OpCo) seit 1997 fortlaufend unbesicherte Darlehen aus. Die Zinssätze dieser Darlehen lagen zwischen 4,375 Prozent und 6,45 Prozent. Für die Finanzierung der Darlehen nahm die FinCo Darlehen am Kapitalmarkt unter Nutzung von Eigenkapital auf (etwa ein Drittel der Bilanzsumme) (siehe Illustrierung). Die Zinssätze der Bankdarlehen der FinCo lagen zwischen 2,6 Prozent und 4,1 Prozent.

Für die Bestimmung des Zinssatzes wendete der Steuerpflichtige die externe Preisvergleichsmethode (auch Comparable Uncontrolled Price Method oder CUP) an. Bei der Anwendung der Methode wurde mit einem Rating-Tool von Standard&Poors die Kreditwürdigkeit der OpCo mit „BB“ ermittelt. Die Verrechnungspreisdokumentation stützte die konzerninterne Bepreisung.

Position des Finanzamts

Das Finanzamt kam bei der Prüfung der konzerninternen Darlehen zu der Auffassung, dass der gebuchte Zinsaufwand zu Gunsten der FinCo überhöht sei und daher teilweise als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) an die gemeinsame Mutter zu behandeln seien. Insbesondere hielt das Finanzamt die Preisvergleichsmethode für nicht anwendbar; stattdessen sei die Kostenaufschlagsmethode anzuwenden, wobei das Finanzamt die Refinanzierungskosten und die Eigenkapitalkosten der FinCo berücksichtigte, indem es einen Eigenkapitalzins von 70 Prozent des Zinssatzes der Refinanzierungskosten unterstellte. 

Urteil des FG Münster

Das FG Münster gab der Klage teilweise statt. Es wies zunächst darauf hin, dass die drei anerkannten Methoden zur Bestimmung fremdüblicher Preise (Preisvergleichsmethode, Wiederverkaufspreismethode und Kostenaufschlagsmethode) gleichrangig nebeneinander stünden. Allerdings lehnte das FG im Streitfall – dem Finanzamt folgend – aus folgenden Gründen die Preisvergleichsmethode ab:

  • Ein interner Preisvergleich liegt nicht vor, weil bei dem Darlehen, das die OpCo bei einer externen Bank aufgenommen hat, die gemeinsame Muttergesellschaft gebürgt hatte.
  • Ein externer Preisvergleich scheitere aus folgenden Gründen:
    • Die FinCo sei nicht vergleichbar mit einem externen Darlehensgeber, weil sie nicht am Markt auftritt.
    • Die Bonitätsermittlung der OpCo sei nicht nachvollziehbar, weil die zur Rating-Ermittlung verwendeten Algorithmen geheim seien und sich dadurch einer gerichtlichen Nachprüfbarkeit entzögen. 
    • Bei der Bestimmung der Zinssätze sei zudem die durchschnittliche Kreditwürdigkeit des Gesamtkonzerns und nicht die Bonität der darlehensnehmenden Konzerngesellschaft (sog. Stand-alone-Rating) maßgebend. 

Im Ergebnis sei die Kostenaufschlagsmethode am besten geeignet, die Höhe der fremdüblichen Zinsen zu bestimmen. Zudem erkannte das FG eine teilweise Verletzung der Mitwirkungs- und Beweisvorsorgepflicht i. S. d. § 90 Abs. 2 Satz 4 Abgabenordnung  (AO), da die OpCo nicht in der Lage war, die Refinanzierungskosten der FinCo offenzulegen. Dies berechtige den Senat zu einer Schätzung i. S. d. § 162 Abs. 2 Satz 1 AO.

Allerdings hielt der Senat die Schätzungen des Finanzamts für deutlich überhöht und ersetzte sie durch seine eigene Schätzung. Die Kosten der Schwestergesellschaft seien auch im ersten Schritt nach dem Verhältnis ihrer eigenen Zinsaufwendungen zu ihren Zinseinnahmen zu berechnen. Hierfür seien die Werte aus den Gewinn- und Verlustrechnungen der Schwestergesellschaft anzusetzen. Im zweiten Schritt schätzte der Senat die Kosten des Eigenkapitals, indem es die Eigenkapitalquote als Differenz zwischen 100 Prozent und der Fremdkapitalquote berechnete und für die übliche Verzinsung einen wiederum geschätzten Faktor von 150 Prozent ansetzte, da Fremdkapital stets höher zu verzinsen sei als Eigenkapital. Schließlich seien die Selbstkosten zuzüglich eines Gewinnzuschlags hinzuzurechnen. 

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BFH stärkt die Anwendung der Preisvergleichsmethode

Der BFH hebt das Urteil des FG Münster auf und verweist es unter zum Teil deutlicher Kritik an das FG Münster zurück. Die Urteilsbegründung enthält zahlreiche, sehr bedeutende Feststellungen zur Ermittlung von Zinssätzen bei konzerninternen Darlehen. So stellt der BFH u.a. fest: 

  • Die Anwendung der Preisvergleichsmethode hat Vorrang vor Anwendung der Kostenaufschlagsmethode. Dies gilt zunächst, weil die OECD die Preisvergleichsmethode als die direkteste Methode zur Führung des Fremdvergleichs ansieht. Zudem ist die Preisvergleichsmethode in Bezug auf Finanzierungstransaktionen auch zuverlässig anwendbar, da viele Marktdaten verfügbar sind.
  • Das FG hat zu prüfen, ob im Urteilssachverhalt nicht sogar die interne Preisvergleichsmethode Anwendung finden könnte. Danach ist zu untersuchen, ob das externe Bankdarlehen, das durch die Muttergesellschaft besichert ist, nicht durch sachgerechte Anpassungen mit der unbesichert vergebenen konzerninternen Transaktion vergleichbar gemacht werden könnte. 
  • Ist ein interner Preisvergleich nicht möglich, so ist die Durchführbarkeit eines externen Preisvergleichs zu prüfen. Entgegen der Ansicht des FG sind dafür Banken und insbesondere Unternehmensanleihen nicht grundsätzlich für einen externen Fremdvergleich ungeeignet, nur weil eine FinCo nicht die gleichen Strukturen wie eine Geschäftsbank aufweist. Gerade Unternehmensanleihen richten sich an ein breites Spektrum an Geldgebern.
  • Grundsätzlich ist das Stand-alone-Rating des Darlehensnehmers entscheidend, das ggf. durch die Zugehörigkeit der Gruppe verbessert sein kann (so inzwischen auch Rn. 3.94 Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2021). Das Gruppenrating ist jedenfalls entgegen der Ansicht des Finanzamts und des FG nicht maßgebend.
  • Die Tatsache, dass die Algorithmen der Ratingagenturen geheim sind, hindert nicht die Verwendung solcher Ratings, wenn diese eine von der Marktpraxis anerkannte Grundlage für die Bonitätsbeurteilung sind. 
  • Eine geringe oder fehlende Substanz beim Darlehensgeber kann nicht dazu führen, dass der Zinssatz bei der internen Darlehensvergabe als solcher angegriffen wird, wenn dieser fremdüblich ist. Dies könne ansonsten zum widersprüchlichen Ergebnis führen, dass ein Darlehen nur allein deshalb anders bepreist würde als ein ansonsten vergleichbares Darlehen, da die Darlehensgeber unterschiedliche Substanz aufweisen. 

Mit der vom FG vorgenommenen Schätzung zur Ermittlung der Darlehenszinssätze auf der Basis der Kostenaufschlagsmethode beschäftigt der BFH sich erst gar nicht, weil er diese für bereits dem Grunde nach unzulässig hält und auch gravierende fachliche Mängel in der Durchführung ausmacht. Sollte das FG im zweiten Rechtsgang an seiner Auffassung festhalten, dass die Kostenaufschlagsmethode, die am besten geeignete Verrechnungspreismethode ist, empfiehlt der BFH die Hinzuziehung eines Sachverständigen zur genauen Berechnung der Zinshöhe.

Fazit und Ausblick

Das Urteil ist zu begrüßen:

  • Die Ermittlung von fremdüblichen Zinssätzen nach der Preisvergleichsmethode ist international üblich und auch in Deutschland langjährige Praxis. In Deutschland kam es in der letzten Zeit zunehmend zu Kritik in Betriebsprüfungen an diesem Ansatz, indem stark auf die Finanzierungskosten des Darlehensgebers abstellt wurde. Das Urteil schafft insofern Klarheit, dass es eben nicht auf die Finanzierungskosten und die Kapitalausstattung des Darlehensgebers ankommt, sondern einzig auf die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers. 
  • Zudem hat die klare Feststellung des BFH, dass es nur auf das Einzelrating der Darlehensnehmerin ankommt und nicht auf die durchschnittliche Bonität der Gruppe, eine äußerst hohe Bedeutung für die Praxis, da die Finanzverwaltung in Betriebsprüfungen fast immer auf das Gruppenrating verweist und die Zinsbestimmung an externen Refinanzierungskosten festmachen will, die für den Gesamtkonzern gelten. Die Position des BFH zur Bedeutung des Einzelratings steht hingegen im Einklang zu den OECD Verrechnungspreisrichtlinien und damit internationalen Standards aus Verrechnungspreissicht. Gleichzeitig zeigt sich der BFH offen für die ebenfalls von der OECD befürwortete Sichtweise, dass zusätzlich zum Einzelrating bei der Preisbestimmung auch implizierte Vorteile zu berücksichtigen sind, die sich aus der reinen Gruppenzugehörigkeit ergeben und die auch fremde Dritte einpreisen würden.
  • Auch in Bezug auf das neue Konzept der OECD zur Risikokontrolle, das gewisse Anforderungen an die Substanz des Darlehensgebers stellt, scheint der BFH generell offen gegenüber zu stehen. Allerdings stellt er klar fest, dass die Frage der Substanz einer FinCo auf Ebene der Finanzierungsgesellschaft zu klären ist oder bestenfalls im Verhältnis einer die FinCo stützenden oder für sie garantierenden, übergeordneten Konzerngesellschaft der FinCo und jedenfalls nicht auf der Ebene der Darlehensnehmerin. Die Verwaltungsauffassung in Rn. 3.92 der Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2021, welche den Zinssatz auf ein Darlehen von einem substanzlosen Darlehensgeber auf eine risikofreie Rendite begrenzt, steht in klarem Widerspruch zu dem Urteil, weil sie auf der falschen Ebene ansetzt, und sollte daher nicht haltbar sein.

Ebenfalls zu beachten gilt die BFH Entscheidung zu I R 62/17. In diesem Verfahren ging es auch um eine konzerninterne Finanzierung. Neben der bereits im vorliegenden Urteilsfall angesprochenen Frage der richtigen Methodenwahl behandelte das Verfahren auch die Frage, ob eine sich aus der Insolvenzordnung ergebende Nachrangigkeit Einfluss auf den Preis haben kann. Diesen Beitrag zur BFH Entscheidung zur konzernintern Finanzierung finden Sie ebenfalls in dieser Ausgabe. 

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