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Christoph Schellhas
Partner und Leiter von Financial Services Sustainability bei PwC Deutschland
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Die Europäische Union (EU) hat sich mit dem „Green Deal“ zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden. Die EU-Taxonomie-Verordnung soll Investoren durch mehr Transparenz über nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten Anreize für nachhaltige Investitionen und Kredite liefern. Seit 2022 begleitet und analysiert PwC die Fortschritte bei der Taxonomieberichterstattung. Die aktuelle Studie konzentriert sich auf die Unternehmen des Finanzsektors. PwC hat dafür die Geschäftsberichte für das Geschäftsjahr 2024 von 93 größtenteils börsennotierten Banken, Versicherern und Vermögensverwaltern aus insgesamt zehn EU-Ländern und der Schweiz untersucht.
Die Finanzinstitute melden die Taxonomiefähigkeit und -konformität ihrer Geschäftsaktivitäten in Bezug auf Umsatz („Turnover“) und Investitionsausgaben („CapEx“). Verwies PwC für das Jahr 2023 auf mangelnde Daten, war die Datenverfügbarkeit für das Geschäftsjahr 2024 deutlich besser, denn die Finanzinstitute konnten erstmals auf die Daten ihrer Geschäftspartner aus dem Finanzsektor zurückgreifen.
Ein Kernergebnis: Trotz verbesserter Datenlage konnte der Finanzsektor im Geschäftsjahr 2024 seine durchschnittliche Taxonomiefähigkeit und -konformität im Vergleich zum Vorjahr nur wenig steigern. Außerdem nutzen die meisten Finanzinstitute Taxonomiedaten (noch) nicht für strategische Zwecke wie das Portfoliomanagement und Investmententscheidungen. Stattdessen binden erhöhte Compliance-Anforderungen infolge der fortlaufenden regulatorischen Änderungen Ressourcen. Außerdem gibt es bei manchen Kennzahlen Verbesserungspotenzial. Die Taxonomiedaten dürften in Zukunft aber auch für grüne Finanzprodukte wie Green Bonds an Bedeutung gewinnen.
„Finanzinstitute nutzen die Taxonomiedaten überwiegend noch nicht für strategische Zwecke oder Investitionsentscheidungen. Dies liegt zum Teil an den geringen Konformitätsquoten. Außerdem mindert die Abhängigkeit der Taxonomiefähigkeit von bestimmten Geschäftsmodellen die Vergleichbarkeit und Aussagekraft der Daten.“
Für Finanzinstitute gilt die Berichtspflicht zur Taxonomiekonformität erst seit dem Geschäftsjahr 2023, da sie für ihr Reporting auf die Daten ihrer Geschäftspartner angewiesen sind. Sie berichten die Taxonomiekonformität in Bezug auf die Umweltziele Klimaschutz (Ziel 1) und Anpassung an den Klimawandel (Ziel 2) sowie die Taxonomiefähigkeit auch für die weiteren vier Umweltziele: Nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen (Ziel 3), Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft (Ziel 4), Vermeidung von Verschmutzung (Ziel 5) und Schutz von Ökosystemen und Biodiversität (Ziel 6).
Die Angaben zur EU-Taxonomie müssen von Unternehmen im Nachhaltigkeitsteil des Lageberichts dargestellt werden. Der Umfang schwankt bei den 93 für die Studie untersuchten Finanzinstitute zwischen fünf und 183 Seiten. Unterschiedliche Schriftarten und Layouts schränken die Vergleichbarkeit ein. Trotz dieser Einschränkung: Die durchschnittlichen Umfänge unterscheiden sich zwischen den Branchen deutlich. Bei den Banken liegt die durchschnittliche Seitenzahl der Taxonomieangaben im Lagebericht bei 67 Seiten, bei den Vermögensverwaltern bei 57 Seiten und bei den Versicherungsunternehmen bei 30 Seiten.
Insgesamt hängen die Taxonomiewerte vom jeweiligen Geschäftsmodell und Anlageportfolio ab. Niedrigere Werte resultieren unter anderem aus einem großen Anteil an Geschäftsbeziehungen mit Nicht-EU-Unternehmen, die selbst nicht der NFRD-/CSRD-Berichtspflicht unterliegen. Höhere Quoten sind demgegenüber oft auf die bessere Datenqualität und -verfügbarkeit in Immobilien- und Hypothekenportfolios sowie auf einen größeren Anteil berichtspflichtiger Geschäftspartner zurückzuführen. Für das Geschäftsjahr 2024 bezogen sich die Quoten für die Taxonomiekonformität in erster Linie auf das Umweltziel 1 (Klimaschutz).
Zugleich zeigt sich: Finanzinstitute verwenden uneinheitliche Methoden für die Berechnung der Kennzahlen (KPIs) für Taxonomiefähigkeit und -konformität; dies erschwert die Vergleichbarkeit. Unterschiedliche Auslegungen der Vorschriften betreffen auch die ermittelte Deckungsquote (Coverage ratio) sowie die Anwendung von Markt- oder Buchwerten. Und: Die Unternehmen gehen uneinheitlich mit nicht-verfügbaren Daten um, insbesondere in Bezug auf ihr Exposure bei Nuklear und Gas.
Bei den Banken sank die durchschnittliche umsatzbasierte Taxonomiefähigkeit von 32,8 % im Geschäftsjahr 2023 auf 28,4 % im Geschäftsjahr 2024; CapEx-basiert ging sie im selben Zeitraum von 33 auf 29,6 % zurück. Die Spannen sind mit 16 bis 58,8 % umsatzbasiert und 16,2 bis 63,6 % CapEx-basiert höher als im Vorjahr (Geschäftsjahr 2023: 20 bis 44 % umsatzbasiert; 21 bis 45 % CapEx-basiert.
Dagegen verbesserten die Banken ihre Green Asset Ratio (GAR): Die durchschnittliche umsatzbasierte Konformitätsquote GAR stieg von 2,2 auf 2,9 %; CapEx-basiert stieg sie von 2,3 auf 3,2 %.
Die verbesserte Verfügbarkeit und Qualität von Energiedaten hat die Bewertung von Immobilien wesentlich vereinfacht. Mehr als zwei Drittel (70 %) verwenden Energieausweise (EPCs) oder ähnliche Energiezertifikate.
In der Studie hat PwC neun Vermögensverwalter aus fünf EU-Ländern untersucht. Ihre durchschnittliche Taxonomiefähigkeit lag deutlich unter derjenigen von Banken und (Rück-)Versicherern, die Konformität war ähnlich. Die durchschnittliche umsatzbasierte Taxonomiefähigkeit beträgt 9,9 %, die durchschnittliche CapEx-basierte 9,6 %. Die durchschnittliche Taxonomiekonformität liegt umsatzbasiert bei 2 % und CapEx-basiert bei 2,3 %. Die Länderwerte schwanken zwischen 1,4 und 3,5 % basiert auf Umsatz sowie zwischen 2 und 2,6 % basiert auf CapEx.
Im Versicherungssektor werden die Kapitalanlagen und das Versicherungsgeschäft getrennt betrachtet. Bei Kapitalanlagen lag die durchschnittliche Taxonomiefähigkeit über alle Länder hinweg umsatzbasiert bei 18,2 und CapEx-basiert bei 16,5 %. Die Länderspanne reicht umsatzbasiert von 7,1 bis 26,1 % und CapEx-basiert von 8,6 bis 21,2 %. Für das Geschäftsjahr 2023 lagen die Spannen umsatzbasiert bei 3,5 bis 27,5 % und CapEx-basiert bei 4,2 bis 32,4 %.
Die Green Investment Ratio (GIR) liegt im Länderdurchschnitt umsatzbasiert bei 2,5 % und Capex-basiert bei 2,7 %. Die Spanne reicht umsatzbasiert von 1,3 bis 5,5 % und CapEx-basiert von 2,1 bis 4,5 %. Im Vorjahr war die Streuung höher (0,7 bis 6 % nach Umsatz, 0,9 bis 4,3 % nach CapEx, der Gesamtdurchschnitt war niedriger (umsatzbasiert 2,1 %, CapEx-basiert 2,2 %). Ähnlich wie die Banken profitierten die Versicherungsunternehmen von der verbesserten Energieerfassung bei Immobilien, der besseren Verfügbarkeit von Daten anderer Finanzunternehmen sowie der erhöhten Quote der Geschäftspartner aus dem Industriesektor.
Im Versicherungsgeschäft beträgt die durchschnittliche Taxonomiefähigkeit 13,5 % (Bandbreite: 0,3 bis 33,4 %). Im Vorjahr war der Durchschnitt mit 18,8 % deutlich höher. Insgesamt hat Deutschland mit 33,4 % die höchste Länderquote (Vorjahr: 39,6 %).
Die durchschnittliche Taxonomiekonformität stieg von 1,9 auf 2,1 %, wobei deutsche Unternehmen mit 4,6 % (2023: 3,6 %) deutlich über dem Durchschnitt liegen.
Der Rückgang der Taxonomiefähigkeit lässt sich unter anderem auf die FAQs der Europäischen Kommission vom Dezember 2023 zurückführen. Dem gemäß sollen für die Berechnung der Taxonomiekonformität nur die klimarelevanten Prämienanteile verwendet werden. Diesen Ansatz nutzten ebenfalls über die Hälfte der analysierten Versicherer für die Berechnung der Taxonomiefähigkeit (56 %).
Die meisten taxonomiekonformen Versicherungsprodukte stammen aus den Lines of Business Kraftfahrzeugversicherungen, See-, Luftfahrt- und Transportversicherungen sowie Feuer- und sonstige Sachversicherungen.
„Ohne die strategische Nutzung dieser Daten kann die Taxonomieverordnung ihr Ziel, Finanzströme in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten zu lenken, nicht erreichen. Mit der Überarbeitung der Sustainable Finance Disclosure Regulation wird es voraussichtlich neue Produktkategorien geben, die zu einer verstärkten Nutzung der Taxonomiedaten für grüne Finanzprodukte führen.“
Christoph Schellhas,Partner und Leiter von Financial Services Sustainability bei PwC Deutschland sowie Leiter von Global und EMEA Insurance SustainabilityEU-Taxonomie Reporting 2025
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Für die Studie hat PwC die veröffentlichten Berichte für das Geschäftsjahr 2024 von 93 größtenteils börsennotierten europäischen Finanzinstituten – Banken, Vermögensverwalter und Versicherungsunternehmen – aus insgesamt zehn EU-Ländern und der Schweiz untersucht, die in den Anwendungsbereich der EU-Taxonomie fallen. 25 davon aus Deutschland, 16 aus Italien, elf aus Polen sowie weitere aus Belgien, Finnland, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, Spanien, Schweden und der Schweiz.
Christoph Schellhas
Partner, Financial Services Sustainability Lead, Global and EMEA Insurance Sustainability Lead, PwC Germany