Das Modell Familienunternehmen steht vor radikalen Umbrüchen. Welche Weichen müssen Familienunternehmer stellen, um in 20 Jahren noch erfolgreich zu sein?
Die Welt, in der die deutschen Familienunternehmen erfolgreich geworden sind, existiert nicht mehr. Digitale Technologien setzen etablierte Geschäftsmodelle unter Druck und verändern ganze Branchen in atemberaubender Geschwindigkeit. Der Einfluss von Finanzmärkten und Private Equity auf die Wirtschaft nimmt weiter zu und verschiebt unternehmerische Entscheidungsspielräume. Die Megatrends Urbanisierung und Individualisierung wirken auf gewachsene regionale und familiäre Strukturen und definieren das gesellschaftliche Zusammenspiel neu.
Familienunternehmen sind von diesen Entwicklungen nicht einfach nur betroffen. Vielmehr stellen die tiefgreifenden technologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen das bisherige Erfolgsmodell grundsätzlich infrage. Wie können, wie müssen sich Familienunternehmen an die neue Realität anpassen, um auch in 20 Jahren noch erfolgreich zu sein? Im Rahmen der Initiative „Next 20 Years“ von PwC und der INTES Akademie für Familienunternehmen suchen wir gemeinsam mit Vordenkern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft Antworten auf diese Frage.
Peter Bartels
Mitglied der Geschäftsführung für Familienunternehmen, Industrien und Digitalisierung bei PwC Deutschland
Dominik von Au
Geschäftsführer der INTES Akademie für Familienunternehmen
Partner bei PwC Deutschland
Peter Bartels und Dominik von Au zu den Herausforderungen von Familienunternehmen angesichts tiefgreifender wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und technologischer Verschiebungen.
Auch traditionsreiche Familienunternehmen waren mal Start-ups. Sind die heutigen Gründer also die Familienunternehmer von morgen? Möglich, aber einen Automatismus gibt es nicht – denn nicht nur das Finanzierungsumfeld hat sich dramatisch verändert. Wovon die Entwicklung abhängt und wie es auch heute noch möglich ist, ein Familienunternehmen aufzubauen, erklären Verena Pausder, Unternehmerin und Digitalexpertin, und Dominik von Au, Family Governance Leader bei PwC und Geschäftsführer der INTES Akademie für Familienunternehmen.
Die moderne Arbeitswelt ist komplex und von hohem Wettbewerbs- und Leistungsdruck geprägt. Für den einzelnen Mitarbeiter wird der Raum für das Erfahren der eigenen Wirksamkeit dadurch potenziell immer kleiner. Prof. Dr. Konstanze Senge von der Universität Halle erklärt, warum diese Entwicklung nicht nur für den Einzelnen, sondern auch gesellschaftlich problematisch ist und zeigt auf, warum gerade Familienunternehmen ein Hort für gute Arbeit sein können.
Familienunternehmen sind nicht nur ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, sie sind seit vielen Jahrzehnten auch ein Garant für soziale Stabilität. Doch die moderne Digitalgesellschaft verändert die Parameter unseres Zusammenlebens grundlegend neu. Wie wirken sich neue Wertvorstellungen und individualisierte Lebensentwürfe auf das Modell Familienunternehmen aus? Und wie verändert sich unser Land, wenn sich die Familienunternehmen verändern?
Die Lebensbereiche Arbeiten und Wohnen können mithilfe digitaler Technologien wieder enger miteinander verknüpft und nachhaltiger gestaltet werden. Ein Strukturwandel in die Fläche würde ländliche Regionen aufwerten und dicht besiedelte Ballungsräume entlasten. Welche besondere Rolle Familienunternehmen in diesem Prozess spielen können, erklärt Mobilitäts- und Zukunftsforscher Prof. Dr. Stephan Rammler. (Foto: Nicolas Uphaus)
Wie können Familienunternehmen den Wettbewerb um dringend benötigte Talente für sich entscheiden? Prof. Stephan Jansen sieht die Unternehmen in der Pflicht, die eigene Attraktivität als Arbeitgeber viel aktiver als bislang nach außen zu kommunizieren und das Erfolgskonzept der Familyness stärker zu nutzen.
Der Übergang zum Digitalkapitalismus stellt die Identität von Familienunternehmen und das Erfolgsmodell „Familienkapitalismus“ insgesamt auf den Prüfstand. Warum die Frage nach der richtigen Balance zwischen Unternehmertum und Investorentätigkeit wichtig ist und welche Rolle die junge Generation dabei spielt, erklärt Peter May, Gründer der INTES Akademie für Familienunternehmen.
Durch dauerhafte, verwandtschaftliche Beziehungen stellt sich die Frage nach der eigenen Identität in Familienunternehmen sehr viel stärker als in anderen Organisationsformen. Wie diese Notwendigkeit zur Identitätsklärung sowohl zum Vorteil als auch zur Belastung werden kann und warum es wichtig ist, dass Unternehmerfamilien ihre familiäre und ihre unternehmerische Kommunikation bewusst gestalten, darüber spricht Prof. Dr. Armin Nassehi von der LMU München.
Nachfolger in Familienunternehmen stehen vor einem Dilemma: Einerseits müssen sie den personalisierten Gründermythos als symbolisches und identitätsstiftendes Kapital für das Unternehmen aufrechterhalten. Andererseits wird von ihnen ein moderner, postheroischer Führungsstil erwartet. Wie dieser Spagat gelingen kann, erklärt Sven Murmann, Verleger und geschäftsführender Gesellschafter der Murmann Publishers GmbH.
Auch Familienunternehmen können sich dem Wandel vom Industriekapitalismus zum Digitalkapitalismus nicht entziehen. Sie müssen sich schnell und teilweise radikal an neue Gegebenheiten anpassen. Vor welchen Herausforderungen sie dabei stehen, erklärt Prof. Dr. Peter May, Gründer der INTES Akademie für Familienunternehmen.
Globalisierte Lieferketten, der Zwang zur schnellen Skalierbarkeit und die immer wichtigere Rolle externer Kapitalgeber stellen das Modell des regional verwurzelten Unternehmens in Familienhand auf den Prüfstand. Hat das klassische Familienunternehmen in dieser neuen Welt noch eine Zukunft? Oder sind Unternehmergeist und ein familiärer Führungsstil vielleicht gerade jetzt mehr gefragt denn je?
Der Verkauf des eigenen Unternehmens stellt für Unternehmerfamilien einen tiefgreifenden Einschnitt dar. Viele greifen auf Family Offices zurück, um das liquide Vermögen zu sichern. Warum das nur der erste Schritt hin zu einer neuen unternehmerischen Tätigkeit ist, wie der Übergang vom Family Business zu Family Equity gelingen kann und warum die Bindung der eigenen Investitionstätigkeit an die Werte und Identität der Familie auch gesellschaftlich relevant ist, erklärt Peter Bartels, Mitglied der Geschäftsführung von PwC Deutschland.
Statt nach der Ausbildung direkt in das familieneigene Unternehmen einzusteigen, betätigt sich die heutige Nachfolgegeneration immer öfter zunächst selbst als Gründer oder Start-up-Investor. Auf diese Weise übernehmen Nachfolger nicht nur frühzeitig unternehmerische Verantwortung – ihr Engagement spielt auch für die digitale Transformation des Stammunternehmens eine wichtige Rolle.
Werden zunehmend intelligente Roboter in Zukunft auch neue Geschäftsmodelle entwickeln und so den Unternehmer ersetzen? Prof. Stephan Jansen, Professor für Management, Innovation und Finance an der Karlshochschule, ist überzeugt, dass die Frage nach dem Neuen immer eine zutiefst menschliche und damit nicht algorithmisierbare bleiben wird.
Wie wird der technologische Wandel das Modell Familienunternehmen verändern? Tim Renner, Unternehmer, Musikproduzent und Autor, ist überzeugt, dass Familienunternehmen nicht nur besonders schnell auf technologische Veränderungen reagieren können, sondern auch, dass sie sehr gut für den Ideenwettbewerb abseits milliardenschwerer Investitionen aufgestellt sind.
Gerade abseits der großen Ballungszentren wird es immer schwieriger, geeignete Mitarbeiter zu finden und an das eigene Unternehmen zu binden. Familienunternehmen müssen sich daher stärker als bisher als Arbeitgebermarke begreifen und offensiver kommunizieren – nicht zuletzt aufgrund ihrer Familyness stehen die Erfolgsaussichten im Kampf um die besten Köpfe nämlich gar nicht schlecht.
Für Jan-Hendrik Goldbeck, geschäftsführender Gesellschafter der GOLDBECK GmbH, bringen Familienunternehmer zwei besondere Stärken für den digitalen Wandel mit: Schnelle, direkte Entscheidungswege abseits großer Gremien und eine langfristige Investitionsperspektive, die Kontinuität ermöglicht. Um erfolgreich zu bleiben, müssen sie aber auch mehr mit anderen kooperieren.
Warum finden gerade Familienunternehmen – trotz schwieriger wirtschaftlicher Umfelder, technologischer Umbrüche und gesellschaftlichem Wandel – über Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg den jeweils richtigen Weg in die Zukunft? Laut Martina Merz liegt der Schlüssel in einer ihnen eigenen Diskussions- und Entscheidungskultur, die über Generationen gelernt und gelebt wird.
Eine neue Generation von Nachfolgern übernimmt zunehmend mehr Verantwortung in deutschen Familienunternehmen. Doch wie gut ist sie auf das digitale Zeitalter vorbereitet? Dominik von Au, Geschäftsführer der INTES Akademie für Familienunternehmen und Partner bei PwC Deutschland, wirft einen Blick auf eine ‚Next Gen‘, die einiges anders machen will.
Angesichts der rasanten Veränderungen in Wirtschaft, Gesellschaft und Technologie müssen sich Familienunternehmen intensiver denn je auf ein zentrales Element ihrer Wettbewerbsstärke zurückbesinnen: ihre Family Identity. Und mit allen, die dazu gehören, die Frage beantworten, wer und was sie in Zukunft sein wollen.
Der rasante technologische Wandel macht Geschäftsmodelle in immer kürzeren Abständen obsolet und zwingt Unternehmen, sich immer schneller anzupassen. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Eigentümerstruktur können Familienunternehmen die digitale Transformation jedoch nicht mit der gleichen Menge Kapital unterlegen wie Konzerne. Können sie in diesem ungleichen Investitionswettbewerb bestehen? Und welche spezifischen Vorteile spielen ihnen in die Hände?
Die Trennung von Wohn- und Arbeitsort hat zu einem hohen Verkehrsaufkommen geführt und ist für immer mehr Menschen eine persönliche Belastung. Wie man beide Lebensbereiche wieder an einem Ort zusammenführen könnte und warum gerade Familienunternehmen in diesem Prozess eine wichtige Rolle spielen, erklärt Mobilitäts- und Zukunftsforscher Prof. Dr. Stephan Rammler.
Laut Harry Gatterer, geschäftsführender Gesellschafter des Zukunftsinstituts, ist jetzt die Zeit, um unternehmerisch tätig zu sein. Denn: Digitale Technologien erzeugen eine kaum überschaubare Vielzahl an neuen Möglichkeiten, die erkannt und für neue Lösungen genutzt werden wollen. Wie Familienunternehmen in dieser komplexen Situation ihre Entscheidungsfähigkeit sichern können, warum alte Herangehensweisen nicht mehr funktionieren und warum der selbstbewusste Umgang mit Ambiguität und Paradoxien immer wichtiger wird, erklärt er im Interview.
Um die Digitalisierung zu meistern, gibt es für Familienunternehmen nicht den einen Königsweg in die Zukunft. Viel wichtiger sind eine starke Vernetzung innerhalb der eigenen Wertschöpfungskette, der ständige Dialog mit Kunden, Lieferanten und Subunternehmern sowie die strategische Suche nach neuen unternehmerischen Chancen. Warum im digitalen Zeitalter eine grundsätzliche Offenheit für die Kooperation mit anderen zur überlebenswichtigen Haltung wird, erklärt Jan-Hendrik Goldbeck, geschäftsführender Gesellschafter der GOLDBECK GmbH.
Künstliche Intelligenz verspricht, die Art wie wir leben und wirtschaften zu revolutionieren. Gleichzeitig stellen sich viele Unternehmen die Frage: Werde ich unter den neuen technologischen Bedingungen noch wettbewerbsfähig sein? Wird mein Geschäftsmodell die KI-Revolution überhaupt überstehen? Warum Familienunternehmen vom Einsatz künstlicher Intelligenz am Ende sogar mehr profitieren könnten als große Tech-Konzerne und wie sie sich der neuen Technologie nähern können, erklärt Chris Boos, Gründer und CEO der arago GmbH.
Plattformen wie Amazon, booking.com oder Zalando haben das Geschäft mit Endkunden längst revolutioniert. Einzelne Anbieter erhalten durch die Plattform einen breiteren Marktzugang, verlieren im Gegenzug aber die direkte Kontrolle über ihre Kundenbeziehung. Nun drängt der Plattformgedanke auch verstärkt in den Geschäftskundenbereich. Verena Pausder, Geschäftsführerin von Fox&Sheep und HABA Digital, erklärt, ob Familienunternehmen diese Entwicklung fürchten müssen. Oder ob darin nicht sogar eine Chance liegt.